Hannes Wader Hannes Wader: Songpoet und sozialkritischer Chansonnier

Berlin/dapd. - Hannes Wader hat bereits mehrere Generationen mit seinen sozialkritischen Liedern beim Aufbruch in ihr politisches Leben begleitet. Er war musikalisches Sprachrohr der westdeutschen Linken und Studentenbewegung, lieferte mit „Es ist an der Zeit“ eine Hymne der Friedensbewegung und konnte miterleben, wie das Lied 20 Jahre später in Berlin auf einer Großdemonstration gegen den Irak-Krieg seine zeitlose Gültigkeit bewies. Am 23. Juni feiert der aus der ostwestfälischen Provinz stammende Wader seinen 70. Geburtstag.
„Ich hätte schon Lust auf die Rente, aber die fällt etwas zu schmal aus. Schon deshalb muss ich weiter singen“, gibt Wader im dapd-Gepräch offen zu. „Aber ich tue das auch sehr gerne und trete sogar mit zunehmender Leidenschaft auf.“
Der Sohn eines Landarbeiters und einer Putzfrau wuchs in äußerst einfachen Verhältnissen auf. Während seiner Lehre zum Dekorateur hatte er erste Auftritte als Musiker einer Jazzband. Durch den Chansonnier Georges Brassens lernte Wader dann eine ganz neue musikalische Welt kennen. Das legendäre Festival „Chanson Folklore International“ auf der Burg Waldeck 1965 wurde schließlich für ihn zu einer Art Erweckungserlebnis.
Zwtl.: „Heute hier, morgen dort“ wurde zum Klassiker
Nur wenige Jahre später war Wader in seiner neuen Wahlheimat West-Berlin bereits zu einem Star in der lebendigen Liedermacherszene der Stadt aufgestiegen. Sein Schallplattendebüt „Hannes Wader singt…“ verkaufte sich in kurzer Zeit gleich mehrere zehntausend Mal. Mit seinem dritten Album „7 Lieder“, auf dem er unter anderem seine bis heute bekanntesten Stücke „Heute hier, morgen dort“ und „Kokain“ veröffentlichte, hatte Wader den Durchbruch geschafft.
Doch seine noch junge Karriere drohte 1972 schlagartig zu enden. Wader hatte seine Hamburger Wohnung für einige Monate an eine vermeintliche NDR-Journalistin mit Namen Hella Utesch untervermietet. Tatsächlich handelte es sich um die RAF-Terroristin Gudrun Ensslin. Wader wurde von der Bühne herunter verhaftet. Es dauerte Jahre, bis die Ermittlungen wegen „Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“ gegen ihn eingestellt wurden. Jahre, in denen ihn Rundfunksender und Konzertveranstalter boykottierten, sich allerdings auch viele Kollegen wie Reinhard Mey solidarisch erwiesen. „So schrecklich diese Zeit für mich auch war, sie hat mich in bestimmten Kreisen der Jugendszene noch bekannter gemacht“, erzählt der heute in Kassel lebende Wader. Einige Jahre rutschte er erneut auf die schwarze Liste vieler Rundfunkredakteure. Diesmal habe er den Boykott allerdings ein Stück weit selbst provoziert - durch seinen Eintritt in die Deutsche Kommunistische Partei (DKP), sagt Wader.
Zwtl.: Neues Album im August
„Ich stamme aus dem Landproletariat und war plötzlich ein bekannter und wohlhabender Sänger geworden. Das trennte mich von Teilen meiner Familie, aber auch von vielen Freunden und Kollegen“, erklärt er seinen Schritt. „Ich fühlte mich isoliert in der Welt und wollte mich politisch engagieren.“ 1991 trat er wieder aus der DKP aus, enttäuscht und politisch wieder heimatlos geworden. Sein Publikum gleichwohl hat Wader über die Jahre nicht verloren, selbst nicht, wenn er musikalische Nebenpfade erkundete. So etwa, als er sich Mitte der 70er Jahre traditionellen platt- und niederdeutschen Liedguts und Seemannsliedern widmete oder sozialistische Hymnen und Kampflieder einspielte. Für August ist ein neues Album angekündigt
Inzwischen hat bereits eine weitere Generation Wader für sich entdeckt: junge Menschen, die sich beispielsweise bei ATTAC und Occupy engagieren und politisch engagierte Pop- und Rockmusiker wie Max Prosa, Pohlmann oder Bosse. Gemeinsam mit Kollegen haben sie anlässlich des 70. Geburtstages ausgewählte Lieder des Grandseigneurs der deutschen Singer-Songwriter-Szene auf dem Tribute-Album „Heute hier, morgen dort“ neu interpretiert.