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Hannes Meyer  Hannes Meyer : Der Bauhaus-Direktor, den Gropius totschwieg

Von Günter Kowa 13.12.2016, 12:00
Hannes Meyer (r.) 1928 in Bernau bei Berlin.
Hannes Meyer (r.) 1928 in Bernau bei Berlin. Consemüller, Stiftung Bauhaus

Weimar - Nach dem Reformationsjubiläum ist vor dem Bauhausjubiläum, auch dieses wirft schon deutlich seine Schatten voraus. Und es zeichnet sich ab, dass unter den potenziell zahllosen Themen eines eine größere Rolle spielen dürfte: ein neuerlicher Versuch, der Gestalt Hannes Meyer beizukommen. Erst im vergangenen Jahr widmete das Bauhaus Dessau seinem kurzzeitigen, zwischen 1929 und 1930 amtierenden Direktor eine Ausstellung, allerdings unter dem speziellen Blickwinkel der „Idee einer kollektiven Gestaltung.“ Jüngst haben sich an der Bauhaus-Universität Weimar Meyer-Forscher aus mehreren Ländern zu einem Kolloquium zusammengefunden, um aus ihren verschiedenen Ansätzen heraus neues Licht in das schmale Werk und die schillernde Karriere des Architekten und Kommunisten zu bringen.

Wollte Gropius Meyer aus der Geschichte tilgen?

Die Beiträge der Referenten zeigten, dass der schwankende Nachhall von Meyers Leben und Wirken immer noch Stoff für Fragen, Entdeckungen und Überlegungen bietet. Es wäre nicht das erste Mal, dass man alles umkrempelt, was man über Meyer zu wissen glaubte. So hat praktisch jede Publikation über ihn ihre eigene Geschichte.

Ein erstaunlich langes Nachleben hatte vor allem Walter Gropius’ Versuch, den eigenen Nachfolger im Direktorenamt des Bauhauses im Nachhinein schlecht zu machen, wenn nicht gar aus der Erinnerung zu tilgen. Philipp Oswalt, vormaliger Direktor der Stiftung Bauhaus Dessau, erinnerte an Gropius’ hartnäckiges Bemühen, die Ära Bauhaus ganz auf seine Amtszeit einzuengen, beginnend 1938 mit der Ausstellung im MoMA in New York, die nur die Jahre bis 1928 beleuchtete, was 1953 nahtlos mit der Stuttgarter Nachfolge-Ausstellung fortgesetzt wurde.

Gropius: Meyers Amtszeit als Niedergang?

Gropius hat alles getan, Meyer nicht nur totzuschweigen, sondern auch zu verunglimpfen. So stellte er in öffentlichen Äußerungen Meyers kurze Amtszeit als einen Niedergang dar, als Versuch, das Bauhaus zu beschädigen – und davon war auch der Verleger von Claude Schnaidts 1965 erschienenem Buch über den Architekten noch immer so überzeugt, dass er dessen halbwegs objektive Darstellung Meyers mit einem Nachwort konterkarierte, in dem er Gropius’ vernichtende Urteile über Meyer aufgriff und als „glaubhaft“ darstellte. Martin Kieren, der Kurator der bisher immer noch einzigen umfassenden Ausstellung über Meyer im Jahr 1989, konnte davon erzählen, wie die beteiligten Museen die Meyer-Rehabilitation in ihrem jeweils eigenen Interesse instrumentalisierten, wobei es das Wendejahr mit sich brachte, dass die Ausstellung Anfang 1990 dann auch den Weg ins Bauhaus Dessau fand. Kieren war nach seiner eigenen Darstellung der erste, der über Meyers intensiv gepflegtes Selbstbild vom Vorkämpfer einer wahrhaft funktionalen und rationalen Architektur hinaus ging. So sei hinter Meyers Antithesen zur „Baukunst“ (Architektur ist „Funktion mal Ökonomie“ und „kein ästhetischer Prozess“ und ähnliches mehr), sehr wohl die Verwurzelung in der Tradition der klassischen Antike und in den Proportionsprinzipien Andrea Palladios zu erkennen.

Verschiedene Referenten, verschiedene Blickwinkel auf Hannes Meyer

Doch auch über seine Suche nach einer „proletarischen Architektur“ muss nach den Erkenntnissen der Doktorandin Tatiana Efrussi neu nachgedacht werden, die Meyers Zeit in der Sowjetunion neu aufrollt, während andere Referenten in seinem Wirken in der Schweiz und in Mexiko Fragen nach seinen „regionalistischen“ oder „indigenen“ Ausdrucksformen aufwarfen.

(mz)