Hallenser Maler Moritz Götze wird 50 Hallenser Maler Moritz Götze wird 50: Leichtigkeit, in allem Ernst

Halle (Saale)/MZ - Ein Hallenser, wie er im Buche steht. Ein Giebichensteiner, genauer gesagt, der allerdings seit Jahren jenseits der Saale, in Kröllwitz, lebt. Das beschäftigt ihn wirklich - den Tausendsassa, der in der ganzen Welt zu Hause ist. Ein erfolgreicher Mann, der sein Künstlertum professionell pflegt und weiß, was er wert ist - und dabei so liebenswert, dass man seine Nähe sucht. Ein Gesprächspartner von ansteckender Frische und voller Humor, der klug genug ist, nicht zwanghaft jugendlich wirken zu wollen. Am Samstag wird Moritz Götze 50, und es kommt ihm selber einigermaßen unglaublich vor.
„Wie ein Daumenkino“ schnurrt sein zweigeteiltes, ungebrochenes Leben vor ihm ab: 25 Jahre in der DDR, 25 Jahre im deutschen Osten. Und immer in Halle, wenn er nicht auf Reisen ist. Erfurt, New York oder Ahrenshoop - je nachdem, wo man seine Bilder gerade sehen will. Moritz Götze ist gefragt. Darauf ist er stolz. Aber er muss sich auch strecken, Erfolg will verteidigt werden. Der Maler muss seine Kunst und sich selbst auf den Markt bringen, auch Klingeln gehört zum Geschäft. Nicht erst heute. Aber heute erst recht.
„Künstler zu sein ist ja ein schwerer Beruf“, sagt er und wer seine lebensprallen, comicbunten Bilder vor Augen hat, wird jetzt womöglich denken: Jetzt übertreibt er aber, der Gute! Nein, das tut er nicht. Moritz Götze ist ein ernsthafter Arbeiter, der auch den Selbstzweifel kennt. Es beschäftigt ihn also, dass es keine wirklichen Qualitätskriterien in seinem Metier gibt, wie er sagt: „Bei einem Schrank, den man baut, ist das anders“. Götze weiß, wovon er spricht. Schließlich hat er, bevor er zur Kunst kam, den Beruf des Möbeltischlers erlernt. Eigentlich hatte er Museumsdirektor werden wollen, das Sammeln, das Aufheben sind ihm als Leidenschaft geblieben. Die handwerkliche Ausbildung indes, auch die spätere Arbeit als Siebdrucker sind ihm wichtig: „Ich hatte immer Alternativen“, sagt er: „Das hat mir die Leichtigkeit gegeben, Künstler zu sein.“
Wie es zugeht bei Künstlern, das hat er von Kindesbeinen an vor Augen gehabt. Inge und Wasja Götze, die Eltern, haben ein offenes, inspirierendes Haus geführt, frei und mit anarchischem Frohsinn. Moritz Götze nennt es ein Privileg, „in solch einer verrückten, interessanten Familie“ aufgewachsen zu sein, wo es viele Bilder und offene Gespräche gab. Dass es das Ministerium für Staatssicherheit gab, wussten die Götzes schon, aber sie haben sich ihre Freiheit nicht nehmen lassen wollen. Sie hätten „so geredet, als ob es die Stasi nicht gäbe“, erinnert sich der Sohn.
1984, mit 20, hatte er dennoch die Nase voll von der DDR, er wollte raus aus der Enge. Ausgerechnet da lernte er seine große Liebe kennen: Grita, seine Frau. Auch sie ist Künstlerin. Götze entschied sich für die Liebe und für Halle, er zog den Ausreiseantrag zurück. Erst da habe er so richtig begriffen, wie sehr er an der Stadt und der Region hängt. Es ist seine Heimat - auch wenn es für den Künstler nicht selten ein Kraftakt ist, eben hier, im Osten, zu sein: „Ich verdiene mein Geld, wie so viele andere, im Westen, muss allerdings weniger pendeln - aber schon präsent sein. Sonst ist man schnell vergessen“, sagt er.
Moritz Götze ist ein reflektierter Mensch, hellwach, scharf in der Analyse. Die DDR, sagt er, sei ihm sehr nah. „Ich bin nicht traumatisiert. Aber dass das schon 25 Jahre her sein soll, das ist absurd.“ Manchmal kommt es ihm vor, als seien gerade erst zwei Wochen vergangen seither, er hat „die ganzen verrückten Sachen, die wir gemacht haben“ vor Augen. Punk-Festivals hat er organisiert und selber als Sänger und Gitarrist mitgemischt. Die DDR-Erfahrung gibt Bodenhaftung und grundiert seine Kunst. Wir Ostler hätten einen Vorteil, findet er: „Wir können aus einer abgeschlossenen Welt erzählen und haben zwei Leben - die Westdeutschen eigentlich nur eins“.
Wenn er allerdings sieht, dass denen nun vielleicht zwei Drittel der Stadt gehören und kaum einer der hiesigen Professoren aus dem Osten kommt, macht ihm das auch Sorgen. „Vielleicht sollten wir eine Ostdeutschen-Quote einführen“, sagt er. Und lacht sein schallendes Jungen-Lachen dazu. Mit 50!
Gefeiert wird der Geburtstag in Halle am 20. September. Dann gibt es gleich zwei Ausstellungen für den Jubilar, eine im Kunstforum der Sparkasse, eine in der Moritzburg. Und von der einen wird zur nächsten Eröffnung durch die Stadt marschiert. Das dürfte nicht ohne Aufsehen abgehen. Obendrein schenkt sich Moritz Götze ein Buch über Moritz Götze, eine Autobiografie in Bildern, 700 Seiten dick.
Es sind schon die zweiten Erinnerungen, die er über sich herausgibt. Die ersten gab es vor 25 Jahren. Und sie hießen exakt wie die von Erich Honecker: „Aus meinem Leben“. Für solche Ideen muss man ihn einfach umarmen. Nicht nur, weil er nun 50 wird. Und hoffentlich niemals richtig erwachsen.



