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Großbritannien Großbritannien: Regisseur Ken Loach wird am Sonnabend 70 Jahre alt

Von Thomas Burmeister 16.06.2006, 06:06
Der britische Filmemacher Ken Loach (Archivfoto vom 19.01.2006) wird an diesem Samstag (17.06.2006) 70 Jahre alt. (Foto: dpa)
Der britische Filmemacher Ken Loach (Archivfoto vom 19.01.2006) wird an diesem Samstag (17.06.2006) 70 Jahre alt. (Foto: dpa) dpa

London/dpa. - Der Meister des englischen Sozialrealismus («Riff Raff»,«Sweet Sixteen») ist berühmt, bei manchen freilich eher verschrien,für seine tiefe Abneigung gegen jeden Schmus und jede Verklärung derrauen Wirklichkeit.

Zwar gilt der Regisseur, der kürzlich in Cannes die «GoldenePalme» und damit den bislang bedeutendsten Preis seiner Karrieregewannt, längst als einer der wichtigsten Filmemacher unserer Zeit.Doch zwischen Loach und den meisten seiner Kollegen gibt es einengroßen Unterschied. Der liberale «Independent» beschrieb ihn so: «Diemeisten Regisseure machen Filme, von denen sie glauben, dass Leutesie sehen wollen. Ken macht Filme, von denen er glaubt, dass Leutesie sehen sollten - die Konsequenz daraus ist ihm egal.»

Das ist schon seit mehr als 40 Jahren so. 1966 löste Loach mit demhalbdokumentarischen Film «Cathy Come Home» über das Schicksal einerobdachlosen Familie Betroffenheit und Empörung aus, die zu einerParlamentsdebatte über Armut in England führten. «Filme müssen unserreales Leben widerspiegeln» lautet sein Credo. Dazu gehöre auch dieBeschäftigung mit aktuellen Ereignissen wie dem Irak-Krieg. «Sonstwären Filme doch nur eine Beigabe zum Popcorn.»

In Cannes bekam Loach für solche Sätze Ende Mai kräftigen Beifall.Doch daheim wurde sein Siegerfilm «The Wind That Shakes The Barley»,in dem er die Ursprünge des Irland-Konfliktes an einem Bruderzwistdarstellt, oft verrissen. Loach thematisierte dabei Jahrzehnte zurückliegende Gräueltaten von Engländern in Irland. Obendrein zog er aufder Bühne in Cannes Parallelen zur Gegenwart: «Jetzt hat EnglandTruppen im Irak. Es geht um eine Besatzungsarmee, die derZivilbevölkerung schlimme Dinge antut.»

Das war konservativen britischen Medien zu viel. «Warum hasstLoach sein Land so sehr?», titelte das Kleinbürger-Massenblatt «DailyMail». Normalerweise lässt es den Regisseur links liegen. DieVerleihung der «Goldenen Palme» ärgerte die Blattmacher aber so, dasssie Loach in Grund und Boden stampften. Da sehe man wieder mal, wiesoFilme dieses «marxistischen Propagandisten» höchstens drüben, hinterdem Ärmelkanal, «in Europa beliebt sind, wo anti-britische und anti-amerikanische Stimmung vorherrscht».

Voller Hohn verwies die «Daily Mail» darauf, dass Loachs Werke inGroßbritannien «kaum von seiner ach so geliebten Arbeiterklassegesehen werden». Loachs Kino ist oft schwere Kost - selbst für Leute,die auch gern mal vom Mainstream abweichen. Er kann aber auch anders.Das bewies Loach 1990 mit dem spannenden Nordirland-Politthriller«Hidden Agenda» und ein Jahr später mit der bissigen Bauarbeiter-Komödie «Riff Raff».

Manchmal ergriff der Cineast so eindeutig Partei, dass ihmKritiker den Missbrauch seiner Kunst für Propagandazwecke vorwarfen.So auch 1996, als er mit «Carla's Song» den Bürgerkrieg in Nicaraguaaufgriff. Im konservativ regierten Großbritannien der 80er Jahrewaren sozialkritische Arbeiten Loachs für die BBC gar in derenArchiven verschwunden, statt gesendet zu werden.

Vor zwei Jahren bescheinigte ihm die Kritik dann eine «neueunerwartete Leichtigkeit», als «Just a Kiss» in die Kinos kam. Es istjener Loach-Film, der trotz sozialer Dramatik einem Happy Enderstaunlich nahe kommt. Die Liebe zwischen der katholischenMusiklehrerin Roisin aus Irland und dem pakistanischen DJ Casim drohtan einer feindseligen Umwelt zu zerbrechen. Doch die beiden haltenzueinander. Und Loach lässt damit sein Publikum auf eine bessereZukunft hoffen.