Großbritannien Großbritannien: Muriel Spark im Alter von 88 Jahren in Italien gestorben

London/dpa. - Sie liebte, wofür Briten eine besondere Schwächehaben: Exzentriker, exotische Schauplätze, skurrile Situationen,Geheimnisse und Ironie. Aus diesen Zutaten schuf Muriel Spark, dienun im Alter von 88 Jahren gestorben ist, mit rasiermesserscharfenSätzen großartige Literatur wie den Bestseller «Die Blütezeit derMiss Jean Brodie». Als bekennende Katholikin zog sie über «furchtsameSchreiber» her: «Ein Buch ohne klares (moralisches) Urteil ist keinBuch.» Die große alte Dame der schottischen Literatur starb am Tagdes letzten Abendmahls, am Gründonnerstag.
Für den katholischen Glauben entschied sich Spark, die 1918 alsTochter eines jüdischen Schotten und einer protestantischenEngländerin zur Welt kam, erst mit 36 Jahren. Der Anglikanismus,erklärte sie mit leichtem Schmunzeln, habe sich als eine Traditionerwiesen, die ihr nicht alt genug sei. Freilich gehörten damals diebeiden berühmtesten Katholiken unter Großbritanniens Schriftstellernzu ihren Förderern.
Graham Greene und Evelyn Waugh halfen mit Ratschlägen und oft auchmit Geld. Greene schickte Spark gar - bis sie finanziell auf eigenenFüßen stand - monatlich Schecks über 20 Pfund. Unter einer Bedingung:Sie durfte nicht für ihn beten. Schon mit neun Jahren stand für siefest, dass sie Schriftstellerin werden würde. Damals schrieb sieGedichte. Und noch mit 80 arbeitete sie an Mauskripten. «Ich kann mirnicht vorstellen, nicht zu schreiben», sagte sie.
Bis 1957 unter dem Titel «Die Tröster» ihr erster Roman erschien,hatte die Schottin etliche Prüfungen eines aufregenden Lebens zubestehen. Mit 19 stürzte die hübsche rothaarige Muriel Sarah Cambergihr Familie in Verwirrung, als sie den 13 Jahre älteren und zurGewalttätigkeit neigenden Sidney Oswald Spark heiratete und ihm nachAfrika folgte. Die Ehe, aus der ein Sohn hervorging, erwies sich alsKatastrophe. 1944 kehrte sie aus Rhodesien (heute Simbabwe) zurücknach London, wo der Geheimdienst Spark Gelegenheit gab, ihrerFantasie freien Lauf zu lassen: Sie durfte Falschmeldungen zurVerwirrung der Deutschen verfassen.
Der Durchbruch zum Weltruhm als Schriftstellerin kam 1961. Sparkhatte London längst verlassen und sich wieder in derSchottenmetropole Edinburgh niedergelassen, als «The Prime of MissJean Brodie» erschien. Die Studien für ihre Hauptfigur, dieexentrische Lehrerin Christina Kay, hatte sie bereits an derEdinburgher Mädchenschule «James Gillespie» betrieben.
Ihrer Heldin, die altjungfräulich und doch zugleich erotischbegehrenswert wirkt, an Schönheit wie auch an Strenge glaubt undschließlich im Kloster endet, verlieh Sparks autobiografische Züge.Auch im hohen Alter ließ die Autorin, die seit 1966 in der Toskanalebte, ihre Heimat aber regelmäßig besuchte, keinen Zweifelaufkommen, dass sie diesen Frauenroman für ihr bestes Werk hielt:«Ich fühle immer noch, dass dies ein charmantes Buch ist.»
Dem Kino-Publikum blieb die Verfilmung von 1969 vor allem durcheine der großartigsten britischen Schauspielerinnen im Gedächtnis:Maggie Smith - inzwischen auch als Professor Minerva McConagall inden «Harry Potter»-Filmen weltbekannt - bekam für die Rolle der JeanBrodie einen Oscar. Mit Smith verband Spark nicht nur gegenseitigekünstlerische Zuneigung. Beide wurden von der britischen Königingeadelt.