Grita Götze verzaubert mit Kunst Grita Götze verzaubert mit Kunst: "Musste mich nie verbiegen"

Halle (Saale) - Schön sieht er aus, der große Birnbaum aus Keramik: kraftvoll und stattlich, mit reifen Früchten, und doch zugleich von filigraner Leichtigkeit, bis in die fein ausgemalten Blätter. In einer Ausstellung im Schloss Sacrow bei Potsdam, die dem 200. Geburtstag des Schriftstellers Theodor Fontane gewidmet ist, kann das Werk seit diesem Wochenende bestaunt werden.
Grita Götze ist eine der zwölf Künstlerinnen und Künstler, die eingeladen wurden, jeweils ein Gedicht Fontanes gestalterisch umzusetzen. In ihrem Fall ist es der berühmte Text über den Herrn von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, der sich wünschte, dass man ihm eine der Früchte seines prachtvollen Birnbaums mit ins Grab lege. Und später wächst daraus ein neuer, freigiebiger Baum empor. Was für eine tröstliche Geschichte. Grita Götzes kunstvoller Baum erzählt plastisch davon.
Der Name macht Aha
Der Name Götze ist in Halle und darüber hinaus bei Kunstfreunden mit einem Aha verbunden. Wobei es schon so ist, dass oft zuerst die Männer der Giebichensteiner und Kröllwitzer Götze-Dynastie genannt werden, voran Moritz, der Tausendsassa, der sich mit seinen popartigen Anverwandlungen der Welt einen Namen gemacht und großen Erfolg eingefahren hat. Dann wird natürlich verdientermaßen von Wasja gesprochen, dem Vater, der als wirklich freier (und deshalb von DDR-Staat als Feind angesehener) Künstler ein ungebundenes Leben und Werk in der Nachkriegsmoderne vorzuweisen hat.
Die Frauen in dieser Künstlerfamilie aber, Inge und Grita Götze, rücken in der Betrachtung ganz zu Unrecht häufig in die zweite Reihe. Inge Götze, Bildschöpferin, die mit Stoffen und Papier arbeitet, hat ebenso viel Aufmerksamkeit verdient wie ihr Mann und ihr Sohn. Und Grita, seit drei Jahrzehnten mit Moritz verbunden, erst recht.
Staunen über Zauberdinge
Sie ist Zeichnerin, Malerin und arbeitet Objekte aus Keramik, die zwar streng genommen Teller und Vasen - aber eigentlich Skulpturen sind. Immer verfeinerter ist die Technik der Künstlerin mit den Jahren geworden, in der sie die Stücke entwirft, formt, bemalt, brennt und glasiert.
Staunend und bewundernd stehen die Betrachter wie jüngst erst bei einer Ausstellung in der halleschen Zeitkunstgalerie vor diesen Wunderdingen, deren Betrachtung Genuss erzeugt - und unmittelbare Besitzgelüste.
Dabei schert sich die Künstlerin den Teufel um Moden und Trends, die es natürlich auch in ihrem Fach gibt. Grita Götzes Arbeiten sind von großer Prägnanz und bezwingender Schönheit. Man sieht in jedem Stück das meisterliche Werk gewissermaßen mit, das über Jahre aus sich selbst gewachsen ist und immer noch raffinierter wird in der Variation von Formen und Farben.
Grita Götze und die Faszination des Töpferns
Die Stücke sind natürlich hoch dekorativ, aber nichts an ihnen ist „Deko“, nichts gefällige Anbiederei an einen vermuteten Käufergeschmack. Grün, blau, gelb, golden strahlen die Motive aus dem lebendigen Ton, Frauenfiguren sind dabei, Blumen, auch Gartenwerkzeuge - letztere wohl auch als feiner, leicht ironischer Hinweis auf die Mühe zu verstehen, die man sich für Gewinn und Erhalt des Schönen machen muss. Einfacher ist es nicht zu haben.
Ursprünglich ging die Absicht von Grita Götze, die 1959 im sächsischen Schlema geboren wurde, gar nicht in Richtung Kunst. Töpferin wollte sie werden, nach einem Besuch der Manufaktur in Meißen: „Ich wusste es mit 14 Jahren. Das hat mich so fasziniert, wie Zauberei“, sagt sie.
Und blieb dabei. Leistete Ferienarbeit im thüringischen Töpferstädtchen Bürgel - und bekam auch Zweifel, weil die Arbeit schwer war. Aber die Faszination überwog, sie bewarb sich um eine Lehrstelle - und bekam keine.
Also legte sie doch das Abitur ab, um eine Studienberechtigung zu erwerben, an der halleschen Burg wurde sie angenommen.Es war ein guter Weg, wie Grita Götze sagt, voller Dankbarkeit noch immer für ihre Lehrer: Gertraud Möhwald, Heidi Manthey, Lothar Sell. Dessen dralle Figuren waren nicht unbedingt nach ihrem Geschmack, aber sie hat gleichwohl viel gelernt von ihm.
Möhwald, Mantey, Sell: Großartige Studienzeit
Die Umstände waren durchaus luxuriös für jemand, der den Beruf von Grund auf, also vor allem vom Handwerklichen her, erlernen wollte. Zwei Studierende pro Jahrgang waren sie, das ergab fast eine Eins-zu-eins-Betreuung. Zur Keramikausbildung kamen Malkurse mit Natur- und Aktstudien. „Eine großartige Zeit“, sagt Grita Götze. Auch, was de Freundschaften betrifft, die damals begründet wurden und gehalten haben: „Das gibt es so heute nicht mehr.“
Gehalten hat auch die Beziehung zu diesem verrückten jungen Mann, den sie während ihres letzten Studienjahres auf einer Silvesterparty kennenlernte. Damals hatte sie, im Privaten, gerade „die Nase voll von Künstlern“ und geriet doch an einen. Allerdings arbeitete der in einem Betrieb, hatte einen Ausreiseantrag laufen und besaß als Personaldokument nur noch den berüchtigten „PM 12“, der strenge Beschränkungen einschloss.
Moritz Götze, der Mann, in den sie sich verliebt hatte, machte auch Musik, hatte mit Punk zu tun und malte politisch anklagende Bilder, die sie eher schrecklich fand. „Erst war ich diejenige, die das Geld verdiente“, erinnert sich Grita. Später, nach dem Ende der DDR, fasste Moritz mit neuen Arbeiten rasch Fuß auf dem deutschen Kunstmarkt und verkaufte gut - nun lief es umgekehrt.
„Ich hatte das Glück, mich nie verbiegen zu müssen“, sagt Grita Götze. Sie hat immer gearbeitet, jeweils kurz unterbrochen durch die Geburten dreier Kinder, und sich ihr eigenes Reich gebaut. Und während sie etwa die Blätter und Früchte des Birnbaums zu bemalen hat, hört sie dicke Hörbuch-CDs. Zeit und Geduld werden gebraucht für ihr Tun, Fingerspitzengefühl und Heiterkeit. Man kann es eine Idylle nennen. Aber eine, die mit viel Arbeit gefüllt ist. Mit Fleiß, Herz und Verstand. Und Liebe zur Kunst. (mz)