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Inmitten am Rande Wasja Götze-Doppelschau in Halle: Inmitten am Rande

Von Andreas Montag 11.11.2016, 18:43
Familienbild: Wasja Götze mit seiner Frau Inge und Sohn Moritz in seinem Haus in Giebichenstein
Familienbild: Wasja Götze mit seiner Frau Inge und Sohn Moritz in seinem Haus in Giebichenstein Andreas Montag

Halle (Saale) - Ach, sagt Wasja Götze, sein Empfinden sei zwiespältig: „Vor zehn Jahren ist mein Drang nach Ruhm und Anerkennung größer gewesen.“ Wir sitzen im Hause der Götzes in Giebichenstein, seit Jahrzehnten wohnt der Maler, Liedermacher und frühere „Staatsfeind“ dort mit seiner Frau Inge, auch sie eine hoch angesehene Künstlerin. Und Moritz, der ewig große Junge, ist inzwischen über 50 und selbst als Maler flügge.

Nun ist sein Vater Wasja einmal die Hauptperson, er wird am Dienstag 75 Jahre alt und in seiner Stadt mit einer Doppelschau im Kunstforum der Saalesparkasse und im Kunstmuseum Moritzburg geehrt. Beide Ausstellungen werden am Sonntag eröffnet. Die Idee dazu hat Thomas Bauer-Friedrich, der Direktor der Moritzburg, bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren im Herzen getragen, Moritz Götze hat das Seine dazu getan, dass die Dinge so würdig ins Laufen gekommen sind.

Ritterschlag für Wasja Götze

Überfällig war dieser Ritterschlag längst, fast jeder in der Stadt kennt Wasja Götze als einen, den man gern als Original bezeichnet - und doch ist der Künstler Götze zugleich der große Unbekannte geblieben. So ist der Titel der Schau (und des opulenten Begleitbuches) denn auch mehr als zutreffend, den der spät Geehrte selbst gewählt hat: „Inmitten am Rande“.

Er trifft dieses Fazit fast ohne Bedauern, ein bisschen traurig ist er allerdings schon, man spürt es zwischen dem Sätzen des quirligen, humorvollen Mannes, der immer noch ein leidenschaftlicher Radfahrer ist und dem das Feiern und die Freundschaft stets ebenso wichtig gewesen sind wie seine Kunst.

Petersberg-Rallyes waren legendäre Wallfahrten

„Aber“, sagt Inge Götze, „wenn man 40 Jahre lang kontinuierlich arbeitet, dann möchte man doch mal wahrgenommen werden.“ Das wird nun geschehen, nach kleineren Expositionen und Ausstellungsbeteiligungen wird Wasja Götzes Werk erstmals „richtig“ präsentiert. Er denke beim Anblick der jetzt gezeigten Bilder, „so schlecht ist das doch gar nicht, was du gemacht hast“. Und dann „zieht eine kleine Glückseligkeit“ durch sein Herz. Hier spricht der gebürtige Sachse, den Götze nie verleugnet hat, im Gegenteil.

Aus Altmügeln bei Oschatz ist er zum Studium an der „Burg“ nach Halle gekommen, hat später als Bühnenbildner unter anderem an der Berliner Volksbühne gearbeitet und ist in Halle, wegen seiner Popart-Bilder, vor allem aber wegen seines freien Geistes auf die Liste der Gegner gekommen.

Legendär sind die Petersberg-Rallyes, anarchisch-widerständige Wallfahrten des Künstlervolks. Weniger bekannt sind die Wanderungen, die Götze mit einem Freund jährlich durch Sachsen, Thüringen und den heimatlichen Beritt unternahm: Sie liefen jeden Tag um die 30 Kilometer weit, abends sangen sie in Dorfkneipen für freies Bier. Und Tagebuch wurde auch geführt.

Heute, sagt Götze, staune er selber, dass das über 20 Jahre lang gut gegangen ist in der allseits kontrollierten DDR, wo die Stasi nicht nur ein Auge auf den bunten Vogel Götze hatte. Einmal, 1982, bestellten sie ihn zum Rat des Bezirkes und legten ihm nahe, sie könnten auch für seine Ausreise in den Westen sorgen. „Das war eine Drohung“, sagt Götze. Aber einschüchtern ließ er sich trotzdem nicht.

Wasja Götze blickt zufrieden zurück

Dabei hat er beständig gemalt, sieht man jetzt die Vielzahl der Bilder, die ein Lebenswerk von Rang repräsentieren, kann einem neben dem freudigen Staunen auch ein Gefühl der Beschämung überkommen: Das hätte man alles viel früher sehen sollen!

Für besonders mutig hält sich Wasja Götze selber nicht, er redet seinen Widerstand in der DDR bescheiden zur Verweigerung herunter. Aber er darf schon stolz auf sich sein - und ist es ja auch, allerdings in einer solchen Zurückhaltung, die nobel ist, im Kunstbetrieb jedoch zu keiner sonderlichen Aufmerksamkeit führt. Aber darum, sich etwa wie ein Neo Rauch feiern und hofieren zu lassen, war es Götze eben auch nie zu tun.

Er blickt zufrieden zurück, sein Leben ist gut gewesen. Der bedrückende Staat DDR ist fort. Die Götzes bekommen heute noch feuchte Augen, wenn sie Bilder von damals sehen. Gleich nach dem Mauerfall ist Wasja Götze nach Berlin gefahren, hat den Checkpoint Charlie passiert und ist fünf Kilometer zur Detmolder Straße gewandert, wo sein 1980 ausgereister Freund, der Dichter Kurt Bartsch (1937-2010), wohnte. Dann haben sie gefeiert, bis in den Morgen. Es soll noch viele Feste für Wasja Götze geben. Eines wird am Sonntag sein. Wenn Halle ihn als Maler entdeckt.  (mz)

„Wasja Götze. Inmitten am Rande. Malerei und Anderes“, Kunstforum und Kunstmuseum Moritzburg in Halle, bis zum 29. Januar,
Eröffnung am 13. November um 15 Uhr (Kunstforum Halle, Bernburger Straße 8) und 17 Uhr (Moritzburg, Friedemann-Bach-Platz 5) 

Im Kunstforum: „Radrennfahrer Nr. 61“ (1979) von Wasja Götze
Im Kunstforum: „Radrennfahrer Nr. 61“ (1979) von Wasja Götze
dpa