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Görlitz Görlitz: Wandmalerei mit Cranach-Motiv als Frühstückskulisse

Von Anett Böttger 08.09.2011, 07:24
Der Pächter des Görlitzer Hotels Schwibbogen, Reinhold Hegelow, zeigt auf einen Teil der Wandmalerei. (FOTO: DPA)
Der Pächter des Görlitzer Hotels Schwibbogen, Reinhold Hegelow, zeigt auf einen Teil der Wandmalerei. (FOTO: DPA) dpa-Zentralbild

Görlitz/dpa. - Wer in der Görlitzer Altstadt ein Haus saniert,sollte immer auf Überraschungen gefasst sein. Was allerdings imOktober 2010 über dem Schwibbogen am Obermarkt entdeckt wurde, glicheiner Sternstunde in der Denkmalpflege der deutsch-polnischenGrenzstadt. Prächtige Wandmalereien aus dem frühen 16. Jahrhunderthaben Restauratoren dort schrittweise freigelegt. Eine davon zeigtdas Bildnis «Gesetz und Gnade», ein bekanntes Motiv aus der Werkstattvon Lukas Cranach d. Ä. (1472 - 1553). Zum Tag des offenen Denkmalsan diesem Sonntag dürfen Besucher die Zeugnisse mittelalterlicherKunst besichtigen, allerdings in äußerst begrenzter Zahl.

Fünf Führungen für jeweils 20 Leute will die GörlitzerDenkmalschutzbehörde anbieten. Nur mit Eintrittskarte gelangen dieTeilnehmer in den reich ausgemalten Raum. «Mehr Belastung verträgt ernicht», macht Amtsleiter Peter Mitsching deutlich. Dem oberstenDenkmalpfleger der Neißestadt liegt daran, den «absolut einmaligenFund» vor Schaden zu bewahren, etwa zu hoher Luftfeuchte. Solchspektakuläre Bilder aus dieser Zeit gebe es sachsenweit nicht nocheinmal in einem bürgerlichen Bau, schwärmt Mitsching.

Der Kaufmann Jeronymus Schneider ließ das Haus am GörlitzerObermarkt 1533 errichten. Zu diesem Zeitpunkt oder kurz danachentstanden wohl auch die Malereien in dem Raum, der einst als privateKapelle oder Andachtsraum gedient haben könnte. DasGesetz-und-Gnade-Bild zeigt Szenen aus dem Alten und Neuen Testament,darunter der Sündenfall, Tod und Teufel vor dem Höllenschlund oderJesus am Kreuz. Das in Europa vielfach kopierte Original malteCranach 1529. Direkt darunter sind fünf der «Neun getreuestenheidnischen Frauen» zu sehen, die Erhard Schoen 1531 auf einemHolzschnitt verewigte.

Die Wand gegenüber schmückt eine Herrschergalerie, unter anderemmit Bildnissen von Kaiser Karl V. sowie des böhmischen KönigsFerdinand I. und seiner Frau Anna. Als Landesherr hatte Ferdinand1538 Görlitz besucht, wo ihn Bürgermeister Franz Schneider empfing.Dieser war der Bruder des Kaufmannes, dem das Haus am Obermarktseinerzeit gehörte. Stück für Stück haben Fachleute Inhalt undUrsprung der detaillierten Bilder entschlüsselt. Dennoch bekenntMitsching: «Wir rätseln noch, wie das Ganze im Zusammenhang zuverstehen ist.»

Das Haus mit den seltenen Bilderschätzen gehört Jens Müller, deres zum Hotel umbauen ließ. Ein Frauenkopf war das erste Detail derWandmalerei, die zum Vorschein kam, erinnert sich der GörlitzerUnternehmer. Er ahnte damals nicht, welcher Aufwand mit derinzwischen abgeschlossenen Restaurierung verbunden sein würde. «AmAnfang war's schwierig, mittlerweile sehen wir's positiv», gestehtMüller. «Es ist schon eine tolle Sache», sagt er über die 500 Jahrealten Bilder. Für das im Juli 2011 eröffnete Hotel könnten sie einegute Werbung sein. «Wer sie sehen möchte, sollte mindestens einmalübernachten.»

Doch bislang darf Hotelpächter Reinhold Hegelow den Raum nichtnutzen, in dem Hausgäste künftig frühstücken sollen. Die wertvollenMalereien sind dafür noch nicht ausreichend geschützt. Geplant sei,vor beiden Wänden Schrifttafeln aus Glas aufzustellen, sagtMitsching. Die Tafeln mit Erklärungen zu allen Bildern sollenzugleich als Abstandshalter wirken und so konstruiert sein, dassniemand etwas darauf abstellen kann. Außerdem müsse der Raum noch mitSonnenschutz und Videoüberwachung ausgerüstet werden.

Derweil wartet Müller ungeduldig darauf, dass der Raum freigegebenwird, um seine Mietausfälle in Grenzen zu halten. Doch dieDenkmalschutzbehörde weiß bisher nicht, woher sie die noch nötigenrund 30 000 Euro nehmen soll. Klar ist nur, dass die öffentliche Handdem Hauseigentümer bei der Sicherung einer solchen Rarität unter dieArme greift. Die Suche nach Geldquellen läuft, versichert Mitsching.

Blick auf eine Wandmalerei im Hotel Schwibbogen in Görlitz. Zahlreiche Wandbilder kamen in dem Bürgerhaus zum Vorschein. (FOTO: DPA)
Blick auf eine Wandmalerei im Hotel Schwibbogen in Görlitz. Zahlreiche Wandbilder kamen in dem Bürgerhaus zum Vorschein. (FOTO: DPA)
dpa-Zentralbild