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Berlinale-Preis geht nach Sachsen-Anhalt Goldener Bär für Umbra: Rosenpictures holen Berlinale-Preis nach Halle

Von Andreas Montag 23.02.2019, 17:00
Die Väter des Erfolges bei der Berlinale, v. l.: Peter Zorn, Stephan Helmut Beier, Johannes Krell, Ray Peter Maletzki und Florian Fischer
Die Väter des Erfolges bei der Berlinale, v. l.: Peter Zorn, Stephan Helmut Beier, Johannes Krell, Ray Peter Maletzki und Florian Fischer rosenpictures

Halle (Saale) - Wie stellt man sich den Sitz einer Firma vor, die Bären-Gewinner der Berlinale im Portfolio hat? Glitzernd vielleicht. Oder bürgerlich gediegen. Oder eher schlicht, ohne allen Firlefanz, in einem Mietshaus, das schon bessere Tage gesehen hat.

Letzteres trifft auf Rosenpictures in Halle zu. Und das liegt nicht nur an der kreativen Ungezwungenheit der Filmleute, sondern rührt auch von den tendenziell prekären Bedingungen her, unter denen Kurzfilmer, die „Stiefkinder“ der Branche, oft arbeiten und leben.

Berlinale-Gewinner aus Halle: Hier arbeiten Rosenpictures

Das darf also mitgedacht werden werden, während wir bei Rosenpictures quasi im Wohnzimmer auf ehrwürdigen Sesseln sitzen, um über den größten Erfolg der jungen Filmemacher Florian Fischer und Johannes Krell, ihrer Produzenten Ray Peter Maletzki und Stephan Helmut Beier sowie des „Vaters“ all der Talente, Peter Zorn von der in Halle beheimateten, hoch angesehenen Werkleitz Gesellschaft, zu reden: den Goldenen Bären für den experimentellen Kurzfilm „Umbra“.

Der Beitrag hat die Jury des Wettbewerbs zu höchsten Lobestönen veranlasst. Nebenbei: Es war der erste Berlinale-Hauptpreis für eine deutsche Kurzfilmproduktion seit 1985. Im Jubel darüber ging der Silberne Bär für „Blue Boy“, einen Film über Sexarbeiter, dann fast unter - auch Manuel Abramovich, der Regisseur, ist Stipendiat bei Werkleitz in Halle gewesen.

Von der Ehrung für Abramovich hatte Zorn, am Abend des Preisregens unterwegs auf der Autobahn, zuerst gehört. Kurz darauf ging der zweite Glückwunsch ein. Zorn winkte ab, er wüsste schon Bescheid. Wusste er nicht. Und dann musste er erstmal auf einen Parkplatz fahren.

Viel Gesprächsstoff also. „Es geht um Details und das große Ganze, wie immer“. Sagt Ray Peter Maletzki. Um das „Making of“ zunächst. Oder auf Deutsch: Wie alles begann. Da waren zum einen zahlreiche Enthusiasten, die schon viel über Film wussten, aber noch mehr lernen wollten, gern gemeinsam. Auf einem intensiven Praxisfeld, das die Hochschulen so nicht bieten können. Und da war Werkleitz, ein unkonventionelles, international vernetztes Labor für Medienkunst, das sich, wie sein Mitbegründer Peter Zorn betont, schon immer auch für Film interessiert und engagiert hat.

Was lag also näher, als zusammenzukommen? Zumal man sowohl in der Staatskanzlei Sachsen-Anhalts, die an der weiteren Entwicklung Halles zum Medienstandort interessiert ist, als auch bei der Mitteldeutschen Medienförderung in Leipzig auf wohlwollende und verlässliche Unterstützer getroffen war.

Die 2011 begonnene Arbeit, bei der jeweils mehrere Filmemacher paarweise „zusammengespannt“ werden, hat schon zahlreiche Preise eingetragen - oft unter dem Radar der Öffentlichkeit. Und aus den Meisterklassen ist auch Rosenpictures hervorgegangen, die Geschäftsführer Maletzki und Beier kommen ebenfalls aus der Werkleitz-Schmiede.

Alle betonen das Andere ihres kollektiven Ansatzes, den Wert der sich weiter ausbreitenden Netzwerke - und alle hoffen, dass der Kurzfilm einen höheren Stellenwert zugemessen bekommt.

Nicht mit einem Schlag, das wäre illusorisch. Aber Schritt für Schritt, wobei der „Pott“, den Florian Fischer und Johannes Krell jetzt gewonnen haben, sicher eine wichtige Rolle spielen dürfte. Fernsehformate wollen sie nicht bedienen, aber gern mit Kurzfilmen ins Fernsehen. Das Angebot ist einstweilen mager. Ohne Förderung geht sowieso nichts in der Kurzfilm-Sparte. Immerhin werden die Preisträger jetzt ein bisschen herumgereicht, sie touren über Festivals und durch Kunsthäuser, das ist verdienter Lohn.

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Außerdem bringen Preise ein paar Euro zusätzlich ein. Gut so, schließlich müssen auch Filmkünstler Miete, Butter und Brot bezahlen, Florian Fischer hat zudem ein wenige Wochen altes Kind zu Hause - „das erste Werkleitz-Baby“, wie Zorn es nennt.

Was an Florian Fischer und Johannes Krell neben ihrer Freundlichkeit und Bescheidenheit besonders fasziniert, ist die Überzeugtheit vom eigenen Weg - aber „ein wichtiger Partner ist der Zweifel“, sagt Fischer. „Und der Perfektionismus“, fügt Krell hinzu. An „Umbra“, einer dokumentar-philosophischen Betrachtung über das Selbst und dessen Beziehung zur Natur, haben beide zwei Jahre lang gearbeitet. Das Ergebnis ist ein Kunstwerk, das jeden erreichen kann - oder könnte.

„Warum“, fragt Zorn sarkastisch, „ist der Kurzfilm eigentlich unwichtiger als der Langfilm?“. Eine Antwort darauf gibt es nicht. (mz)