Goethe-Schiller-Archiv in Weimar Goethe-Schiller-Archiv in Weimar: Die andere Seite der Charlotte Schiller

weimar - Das Porträt, das Ludovike Simanowiz von Charlotte Schiller während einer Schwabenreise 1794 malte, zeigt Charlotte mit einem Utensil, das für sie lebenswichtig war: In der ausgestreckten rechten Hand hält die den Betrachter anblickende Ehefrau Friedrich Schillers ein Buch, derweil der linke Arm in einer Pose verharrt, als habe sie gerade eben noch den Kopf auf ihn gestützt.
Ausstellung zeigt Schaffen von Charlotte Schiller
Charlotte Schiller, die 1766 als Charlotte von Lengefeld in Rudolstadt geboren wurde und 60 Jahre später in Bonn gestorben ist, war aber nicht nur zeitlebens eine leidenschaftliche Leserin, sondern auch eine beachtliche Autorin, Übersetzerin und Zeichnerin. Das zeigt jetzt erstmals und unter Aufbietung zahlreicher Originale die Ausstellung „Damit doch jemand im Hause die Feder führt“ im Goethe-Schiller-Archiv in Weimar, das Teil der Klassik Stiftung ist.
Deren Titel ist ein Zitat aus einem Brief Charlottes an Friedrich Schiller (1759-1805) vom März 1801, als sich ihr Gemahl in Jena aufhielt, und lautet vollständig: „Damit doch jemand im Hause die Feder führt, bin ich auch mit meiner angefangenen Geschichte beschäftigt.“ Gemeint ist wohl Charlottes Erzählung „Autun und Manon“, die 1801 anonym im „Journal der Romane“ erschien. Gezeigt wird ein Blatt aus der Reinschrift dieser Liebesgeschichte - mit Korrekturen ihres Mannes Friedrich.
Den Beginn ihres Schreibens datiert Kuratorin Ariane Ludwig - die gemeinsam mit Silke Henke auch einen vorzüglichen Katalog vorlegt hat - auf das Jahr 1783. Im Frühjahr reiste die damals 16-jährige Lotte von Lengefeld mit ihrer Familie in die Schweiz. In einem Tagebuch hat das Mädchen seine Eindrücke festgehalten. „Vieles spricht dafür, dass sie Friedrich Schiller später von ihren Schweizer Erlebnissen und Eindrücken samt der Sage von Wilhelm Tell berichtete, ihm das Reisetagebuch zu lesen gab oder ihm selbst daraus vorlas“, mutmaßt die Kuratorin im Begleittext zum Tagebuch. Die Vorstellung, dass Charlotte ihren Mann für Tell begeistert haben könnte, hat etwas.
Briefwechsel innerhalb Weimars
Überliefert ist auch ein Briefwechsel zwischen den beiden Charlotten Schiller und Stein. Das mag verwundern, da schließlich beide in Weimar lebten und sich auch mündlich hätten austauschen können. Aber die Briefkultur der Goethe-Zeit machte das Verfassen von Schreiben nicht primär von der geografischen Entfernung der Korrespondenzpartner abhängig.
Ein bedenkenswertes Thema verhandelte Charlotte von Stein in einer Epistel, die sie im November 1798 an die Freundin richtete und die als Original mit Transkription ausgestellt ist: „Ich glaube, dass wenn eben so viele Frauen Schriftstellerinnen wären als Männer es sind, und wir nicht durch so tausend Kleinigkeiten in unserer Haushaltung herab gestimmt würden, man vielleicht auch einige gute darunter finden würde.“
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Wie sich zeigt, war Charlotte fraglos eine gute Schriftstellerin. In der Weimarer Schau kann das etwa anhand ihres Poems „Phantasie“ verdeutlicht werden, das sie in anspruchsvollen Distichen - das heißt: in aus je einem Hexa- und einem Pentameter bestehenden Doppelversen - schrieb. Oder am Beispiel des zwischen Hexa- und Pentametern schwankenden Gedichts „Cölln / Im Jahr 1821“, in dem sie den Kölner Dom feiert, den zu vollenden man in jenen Jahren gerade plante: „Sage wie stehen die Pfeiler, wie freie Bäume des Waldes / In das Hohe Gezweig strebet der steinerne Bau“, lauten die ersten beiden Verse.
Doch auch für Charlotte wurden Gedichte geschrieben. Einer, der ihr Verse zueignete, war der als Goethes „Urfreund“ in die Literaturgeschichte eingegangene Jenaer Gelehrte Karl Ludwig Knebel (1744-1834), dem eine Ausstellung zu widmen lange überfällig ist.
Interesse für Naturwissenschaften
Charlotte Schiller selbst hat darauf hingewiesen, dass sie Medizin studiert hätte, wenn zu ihrer Zeit das Frauenstudium gestattet gewesen wäre. So erklärt sich ihr bis ins Alter anhaltendes Interesse für naturwissenschaftliche Bücher, gleich ob medizinischen oder botanischen Inhalts. Alexander von Humboldts Schrift „Ideen zu einer Physiognomie der Gewächse“ etwa hat sie intensiv exzerpiert. Teil der Notizen ist der schlichte Hinweis: „Der Chimborazo ist sechsmal höher als der Brocken.“ So bekam die vom Fernweh beseelte Charlotte, die über Deutschland und die Schweiz nie hinausgekommen ist, eine ungefähre Vorstellung von Ecuadors höchstem Berg.
Charlotte Schiller, die am Vormittags gern Philosophisches, am Nachmittag hingegen lieber historische Abhandlungen las, sammelte mit Feuereifer ihr wichtig erscheinende Zitate. Ein Kästchen mit 149 Kärtchen hat die Zeiten überdauert, in dem Sentenzen enthalten sind aus Büchern, die sie in deutscher, englischer und französischer Sprache las. Ein Schatzkistlein der Weisheit, dessen Inhalt dazu beigetragen haben dürfte, dass ihre Umgebung sie als eine belesene Frau zu schätzen wusste, die auch mit Liebe und Leidenschaft die Feder zu führen verstand.
Goethe-Schiller-Archiv Weimar, Hans-Wahl-Str. 4, bis 11. März, Mo-Fr 10-18 Uhr. Der Katalog kostet 14,90 Euro. (mz)