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Gleimhaus in Halberstadt Gleimhaus in Halberstadt: Flüchtige Gesichter eines vielreisenden Herren

Von TORSTEN HILSCHER 26.11.2010, 18:13

HALBERSTADT/DAPD. - Wie in einem Krimi geht es in den Dramen von Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) zu. Da wird gemordet, verleumdet, gestohlen. Dass der Dichter selbst einmal Kriminalisten beschäftigen würde, hätte auch er sich sicher nicht ausdenken wollen. Im Oktober erstellten sächsische Polizisten ein Fahndungsbild von ihm. Es ist ab Sonntag im Halberstädter Gleimhaus zu sehen, wie auch weitere Bilder des Klassikers.

"Ich denke, es wird so schnell nicht wieder gelingen, so viele Lessingporträts im Original nebeneinander zu hängen", sagt Kuratorin Birka Siwczyk. Sie ist an der Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption in Lessings Geburtsstadt Kamenz in Sachsen tätig. Zwei Jahre hat Siwczyk an der Schau gearbeitet, die eine Wanderausstellung sein wird. Allerdings gehen nur die Texttafeln auf Wanderschaft, die unersetzlichen Bilder müssen direkt aus Halberstadt wieder an ihre Aufbewahrungsorte - nach Honduras in private Hände, nach Berlin an die Staatsbibliothek, nach Frankfurt am Main an das Goethe-Haus, nach Leipzig zur Kunstsammlung der Universität, nach Weimar an die Herzogin Anna Amalia Bibliothek oder zum Hallenser Künstler Moritz Götze.

Es sind Bilder aus allen Epochen seit Lessings Tod, bis hin zum Polizeibild aus dem PC. "Das Landeskriminalamt Sachsen hat mich an einem Seminar für Fahndungsbilder teilnehmen lassen", sagt Siwczyk. Als Vorlage diente die Totenmaske des Dramatikers. Lessing kenntlich machen, das sei auch das Anliegen der Ausstellung, erläutert die Direktorin des Gleimhauses, Ute Pott. "Wir alle kennen Lessings Werk, aber in unserer Bildwelt taucht er nicht auf." Über die Gründe sind sich Pott und Siwczyk einig: Lessing war viel unterwegs. Anders als beispielsweise Goethe legte er keinen Wert auf sein "Bild" für die Nachwelt. Im Gegenteil. "Das Porträtsitzen war wohl nicht sein Ding", sagt Siwczyk.

In mindestens einem Fall war es sein guter Freund Johann Wilhelm Ludwig Gleim (1719-1803), der ihn ins Atelier schleppte. Gleim durfte das. Immerhin war er es, der Lessing Geld gab, wenn der sich mal wieder in Breslau beim Spiel verzockt hatte. "Bei manchen Porträts war aber bislang nicht klar, ob Lessing wirklich beim Maler war, oder ob es sich um Fantasiebildnisse handelt", sagt Siwczyk. "Es fehlte die Zusammenfassung." Was existierte, war nur eine Grobübersicht in Form einer Forschungsarbeit von 1970, die 1983 ergänzt wurde. Daher entwickelte sich die Recherche zur Ausstellung als Schatzsuche. Gefunden wurde ein bislang unbekanntes Porträt des Malers Georg Anton Abraham Urlaub (1744-1788) aus dem Jahr 1766. "Es ist auch deshalb interessant, weil Lessing darauf einen Ring trägt. Das könnte ein Hochzeitsring sein. Er heiratete ja im Oktober 1776", sagt Siwczyk. Andererseits wurde der Dichter in jenem Jahr auch Hofrat. Ein anderes Bild gelangte über Hamburg nach Honduras. Gemalt hat es Anton Graff (1736-1813). Das kleinste Bildnis der Schau findet sich in einer Leihgabe der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel. Es ist im Büchlein "Andenken der Gelehrten für das schöne Geschlecht" versteckt, welches gerade einmal 20 mal 18 Millimeter misst.

Bis 20. Februar im Gleimhaus Halberstadt: Eröffnung Sonntag, 28. November 2010, 11.15 Uhr.

Di-Fr 9-16, Sa und So 10-16 Uhr