Geschichte Geschichte: «Wir werden Brot mit Butter essen»
Berlin/MZ. - Gezeigt wird sie in einem Nebenraum des spektakulären, geschichtsträchtigen Saales, in dem Generalfeldmarschall Keitel für das Oberkommando der Wehrmacht und das Heer, Generaladmiral von Friedeburg für die Kriegsmarine und Generaloberst Stumpff für die Luftwaffe in der Nacht vom 8. zum 9. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation Deutschlands vor den Alliierten formell bekräftigten.
Die Zeugnisse der Antonina Nikiforowa (1907-2001) illustrieren einen anderen Teil der Geschichte, sie heben ein Schicksal exemplarisch aus der Unzahl namenloser Opfer heraus. Dabei erweist sich die sachlich inszenierte Schau als Vorzug: Ohne Pathos wird das Leben Nikiforowas besichtigt, das durch den Überfall der Deutschen auf ihre Heimat gravierend verändert worden ist - und wie sie dennoch ihr Menschsein verteidigt hat. Geboren 1907 in Leningrad, lässt sich die junge Frau zunächst als Krankenschwester ausbilden, später studiert sie Medizin. Früh hat sie den Vater verloren, die Mutter verhungert 1942 während der deutschen Blockade Leningrads.
Antonina Nikiforowa ist zu diesem Zeitpunkt bereits Kriegsgefangene, als Hauptmann im medizinischen Dienst der Roten Armee hatte sie auf der baltischen Insel Saaremaa (Ösel) in einem Marinehospital gearbeitet. Als sie sich weigert, den Kriegsgefangenenstatus aufzugeben und in einen deutschen Industriebetrieb überstellt zu werden, übergibt man sie der SS. Über das Vernichtungslager Majdanek gelangt sie 1944 in das KZ Ravensbrück, wo sie im Krankenrevier eingesetzt wird. Welch bittere Ironie, dass sie nach der Befreiung abermals für mehrere Monate in Ravensbrück inhaftiert wird, nachdem eine Mitgefangene sie als Verräterin denunziert hat.
Immerhin musste Antonina Nikiforowa nicht das Schicksal vieler ehemaliger Kriegsgefangener teilen, die in der Heimat nie wieder zu Anerkennung gelangten. Sie durfte nach einigen Jahren, die sie als Ärztin in Sibirien verbrachte, in ihre Heimatstadt Leningrad zurückkehren und dort auch praktizieren.
Zu den emotionalsten Momenten der Schau zählen die Worte Nikiforowas an ihre Ravensbrücker Leidensgefährtin, die französische Journalistin Marie-Claude Vaillant-Couturier (1912-1996): "Wir werden frei sein, verstehst du, wir werden frei sein! Wir werden Brot mit Butter essen und Bücher lesen..."
Bis zum 6. Juli, Berlin-Karlshorst, Zwieseler Straße 4, Di-So 10-18 Uhr, Eintritt frei