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Geschichte Geschichte: Gedenkfeiern erinnern an den Bürgerrechtler Matthias Domaschk

Von Sophia-Caroline Kosel 31.03.2006, 07:11
Blick auf das Torhaus des 1999 abgerissenen Stasi-Gefängnisses in Gera, Archivbild vom 15.11.2005. (Foto: dpa)
Blick auf das Torhaus des 1999 abgerissenen Stasi-Gefängnisses in Gera, Archivbild vom 15.11.2005. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Gera/dpa. - «Gegen wen ich denke? Gegen die, die es mirverbieten.» Im Juni 1978 schildert Matthias Domaschk in einem Briefseinen Unmut über die DDR-Oberen. Drei Jahre später ist der jungeOppositionelle aus Jena tot: Mit 23 Jahren stirbt «Matz» Domaschk am12. April 1981 in einer Stasi-Zelle in Gera. Noch immer sind diegenauen Umstände ungeklärt. Laut Staatssicherheit hat er sicherhängt. Doch seine Freunde und Verwandten bezweifeln das. 25 Jahrenach seinem Tod rückt das Kino-Drama «Das Leben der Anderen» dieMethoden und Opfer der Stasi bundesweit wieder ins Blickfeld. InThüringen wird im April zudem an Domaschk und andere Bürgerrechtlererinnert.

Bereits als Abiturient geriet Matthias Domaschk ins Visier desMinisteriums für Staatssicherheit: Der junge Mann trug auffälliglange Haare und engagierte sich in der Jungen Gemeinde. Er verteiltein der oppositionellen Szene heimlich kritische Texte desLiedermachers Gerulf Pannach sowie Gedichte und Kurzgeschichten vonJürgen Fuchs. In seiner Wohnung organisierte er Lesungen mit Fuchsund Lutz Rathenow. Die Stasi notiert in ihren Akten: «Domaschk gehörtzu einer Gruppierung feindlicher bzw. negativer Personen in Jena.»

1976 setzt «Matz», der nach dem Abitur ein Ingenieurstudiumbeginnen will, seinen Namen auf eine Unterschriftensammlung gegen dieAusbürgerung von Wolf Biermann - und verbreitet die Petition weiter.Nun ist er bei der Stasi «Feindperson». Kurz vor den mündlichenPrüfungen wird Domaschk aus der Abiturklasse ausgeschlossen. Vieleseiner Freunde aus dem «konterrevolutionären Nest in Jena» sitzen inHaft oder werden gezwungen, das Land zu verlassen. Domaschk wirdeinmal von der Stasi verhört, darf aber dann wieder nach Hause. Weilder Weg zum Studium versperrt ist, arbeitet er als Schlosser undHeizungsinstallateur.

Fünf Jahre später, am 10. April 1981, fährt der Oppositionelle,inzwischen Vater einer kleinen Tochter, mit einem Freund nach Berlin.Dort findet gerade der X. Parteitag der SED statt, aber die beidenwollen eine Geburtstagsfeier besuchen. Im brandenburgischen Jüterbogendet die Reise abrupt: Polizisten holen die Thüringer aus dem Zug,halten sie stundenlang fest. Am nächsten Morgen fährt man sie in dasStasi-Gefängnis nach Gera. Nach stundenlangen Verhören darf DomaschksFreund wieder nach Hause. Alleine. Laut Stasi-Akte erhängt sichDomaschk im Besucherzimmer des Gefängnisses.

Die Stasi fährt eilig zu den Eltern von Matthias Domaschk,verbietet ihnen, über den Vorfall zu sprechen und eine Todesannoncezu schalten, organisiert eilig die Einäscherung. Offiziell wurde derFall in der DDR verschwiegen.

1990 erstattete die ehemalige Freundin von Domaschk bei derStaatsanwaltschaft Gera eine Anzeige zur Klärung der Todesumstände.Doch die Ermittlungen blieben erfolglos. Im September 2000verurteilte das Amtsgericht Gera einen ehemaligen Stasi-Mann wegenFreiheitsberaubung zu einer Geldstrafe von 2400 Euro. Die Kammerbefand ihn schuldig, Domaschk nach seiner Festnahme in rechtswidrigerWeise in der Stasi-Untersuchungshaftanstalt festgehalten zu haben.

Das ehemalige Stasi-Gefängnis, in dem laut ThüringerSozialministerium zwischen 1952 und 1989 rund 2700 Oppositionellesaßen, ist seit einigen Monaten eine Gedenkstätte. Zwei Tafelnerinnern dort an Domaschk. Auf einem Bild hält er seine kleineTochter im Arm. Daneben hängt eine Kopie des Totenscheins. Am 12. April wird an seinem Grab auf dem Jenaer Nordfriedhof demBürgerrechtler gedacht, der in diesem Jahr 49 Jahre alt gewordenwäre. Am 1. April lädt die Birthler-Behörde in Gera zu einemSymposium aus Anlass des Todestages ein.