Geschichte Geschichte: Ein Ort, an dem die bösen Träume immer noch wohnen

Halle/MZ. - Seit Jahren ist Prora eine zunehmend frequentierte Touristenattraktion, Bus um Bus rollt zum "KdF-Bad", man steht und staunt und lässt die Videokamera schnurren: Viereinhalb Kilometer lang, teils ruinös, teil museal, gigantisch in jedem Fall und Furcht einflößend für empfindsame Seelen.
Wenig bekannt
Für einen wie Stefan Wolter zum Beispiel, der den Ort auch 20 Jahre nach seiner Dienstzeit als "Spatensoldat" noch als eine Art Höllenort erkennt, an dem die bösen Träume immer noch wohnen. Nur ist eben dieser Teil der Geschichte des Bauwerkes nur wenig bekannt. Tendenz: fallend. Von der nationalsozialistischen Deutschen Arbeitsfront als Urlaubskaserne der "Kraft durch Freude"-Organisation für zeitgleich 20 000 Feriengäste konzipiert, aber nach Kriegsbeginn nicht vollendet, hat die Anlage in der Nachbarschaft von Binz danach eine wechselvolle, überwiegend militärische Geschichte erfahren.
Seit 1962 durch die Nationale Volksarmee der DDR (NVA) genutzt, wurde sie von 1964 bis 1989 auch zur zwangsweisen Heimstatt von insgesamt rund 15 000 Bausoldaten, jungen Männern, die aus ethischen Gründen den Waffendienst verweigert hatten - darunter Stefan Wolter, der über seine traumatischen Erlebnisse den viel diskutierten Band "Hinterm Horizont allein - Der Prinz von Prora" (Projekte-Verlag Halle) veröffentlicht hat. Inzwischen liegt ein zweites Buch Wolters zu diesem Thema vor, das im gleichen Verlag unter dem Titel "Der Prinz von Prora im Spiegel der Kritik" erschienen ist.
Die "Spatis", denen der 1967 in Eisenach geborene Autor Stimme gibt, wurden, wie Wolter sagt, unter strapaziösen, teils gefährlichen Bedingungen beim Bau des Fährhafens Mukran eingesetzt, Schikane immer inklusive. Bausoldaten, als Staatsfeinde verdächtigt, standen in der ohnehin nicht menschenfreundlichen "Volksarmee" am unteren Ende der Hierarchie.
Vollendete Tatsachen
Heute gibt es einen kleinen Boom in Prora, der Rügen zu gönnen ist. Mit einer Erblast wie dem "KdF"-Bau ist man auch geschlagen. Was Stefan Wolter fordert, scheint indes nur recht und billig: Eben ist ein Jugendcamp entstanden, im Block V, dem Ort ihrer Leidenszeit, "werden vollendete Tatsachen geschaffen", alles hübsch getüncht: "Nichts erinnert mehr an die Geschichte". Zumindest ein Raum, sagt Wolter, müsste erhalten bleiben, der den "Spatis" gewidmet ist. Nachvollziehbar ist das, zumal viele junge Leute das Monstrum Prora heute nur noch als geilen Party-Ort wahrnehmen, während abgewickelte Militärs ihre Erinnerungen an eine Zeit pflegen, deren Verklärung unanständig genannt werden darf.
