Geschichte Geschichte: Der Schweden-Löwe springt in den Tod
Lützen/MZ. - Kein guter Auftakt für ein militärisches Manöver. Erst gegen zehn Uhr morgens lichtet sich der Wettervorhang und gibt den Blick frei auf ein Feld, auf dem sich 35 000 Männer gegenüberstehen.
Im Norden die kaiserlich-katholischen Truppen unter Wallenstein, der das Städtchen Lützen anzündet, um seine rechte Flanke zu verstärken. Im Süden die königlich-protestantischen Truppen unter Führung des Schweden Gustav II. Adolf. Obwohl etwas fettleibig und kurzsichtig, bietet der 37-Jährige einen stattlichen Anblick. Hoch zu Ross und in eine fingerdicke, hellbraune Elchlederjacke gekleidet; Schulterblessuren machen das Tragen eines Brustpanzers unmöglich.
So stürmt Gustav gegen zwölf Uhr Mittag vom rechten Flügel aus den Kaiserlichen entgegen. Ein Haudrauf, dem ein Ruf vorherdonnert: "Löwe aus Mitternacht", der Seekönig, der protestantische Erlöser aus katholischer Bedrängnis. Der vorpreschende König ist nicht allein: Der Herzog von Sachsen-Lauenburg, der Stallmeister, ein Page sowie der Leibknecht begleiten ihn, der den ins Stocken geratenen Angriff der Schweden zu befeuern sucht. Stört der neu einsetzende Nebel oder der Rauch von Lützen her? Des Königs Ende jedenfalls muss grausam gewesen sein.
Eine Kugel trifft Gustav Adolfs linken Ellenbogen, die auch den Hals des Pferdes verletzt. Das ist durch den König nicht mehr zu halten, dessen rechter Arm von einer Verletzung seit vier Jahren taub ist. Gustav fällt und bleibt im Steigbügel des fliehenden Pferdes hängen. Die Zeitgenossen notieren, was dem König widerfährt: "elf Schuss und Stich, darunter zwei Schüsse durch den Kopf, der eine durch die Schläfe, der andere durch den Backen, die übrigen in den Leib..."
Der geplünderte Leichnam ist bis zur Unkenntlichkeit zerstört, als er am Nachmittag gefunden wird. Seidenhemd, Strümpfe und das Elchlederkoller Gustav Adolfs gelangen erst 1920 von Wien aus zurück an die Schweden, als Dank für den Einsatz des Schwedischen Roten Kreuzes im Zuge des Ersten Weltkrieges. Zur Zeit ist die blutdurchtränkte Kollektion in der Lützener Gedenk-Ausstellung zu sehen.
Der Kult um Gustav Adolf setzt 200 Jahre später ein: In Deutschland wird er als protestantischer, in Schweden auch als nationaler Held gefeiert. Letzteres zieht sich bis 1968 hin. Mit dem national auftrumpfenden Schweden geht auch der Kult um den Kriegerkönig verloren, mit dem in seiner Heimat kein Staat mehr zu machen ist. Insofern ist die 1907 bei Lützen errichtete Gustav-Adolf-Gedenkstätte eine kleine Tauchstation in die verlorene Zeit. Aller 50 Jahre werden hier die Gustav-Adolf-Erinnerungskarten nach den Stichworten Nation, Krieg und Protestantismus neu sortiert. Letzterer wird wohl heute das Wort der Stunde sein.