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Genialer Außenseiter: Werner Schroeter gestorben

13.04.2010, 14:36

Berlin/Kassel/dpa. - Werner Schroeter wollte sich bis zum Schluss seiner Krankheit nicht beugen. «Auch wenn man krank ist, kann man arbeiten, wenn man diese Arbeit als das nimmt, was sie ist: nämlich Freude am Dasein», sagte der renommierte Theater- und Filmregisseur noch vor wenigen Wochen.

Am Montagabend erlag er in einer Klinik in Kassel den Folgen seiner Krebserkrankung, wie seine Agentin Monika Keppler der Nachrichtenagentur dpa sagte. Erst am vergangenen Mittwoch hatte er 65. Geburtstag gefeiert.

Schroeter gehörte wie Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Werner Herzog oder Wim Wenders unbestritten zu den großen Regisseuren des Neuen Deutschen Films. Dennoch werden seine Werke nur selten im Kino gezeigt. Mit ihrer hochstilisierten Kunstsprache, der kompromisslosen Ästhetik und dem Hang zum Melodram entziehen sie sich dem schnellen Zugriff.

Zu seinen wichtigsten Arbeiten gehören das Gastarbeiterdrama «Palermo oder Wolfsburg» (Goldener Bär 1980), die Ingeborg-Bachmann-Verfilmung «Malina» mit Isabelle Huppert (1991), das Filmessay «Marianne Hoppe - Die Königin» (2000) und der bei uns nicht gezeigte Film «Deux» über zwei bei der Geburt getrennte Zwillingsschwestern.

Seit etwa drei Jahren litt der Filmemacher an Krebs. Deutlich von der Krankheit gezeichnet, erhielt er noch bei der Berlinale im vergangenen Februar den schwul-lesbischen Teddy Award - eine der vielen Auszeichnungen für sein Lebenswerk. Viel zu schmal, den für ihn obligatorischen schwarzen Hut über einem eingefallenen Gesicht, nahm Schroeter den Preis sichtlich gerührt aus der Hand seiner ersten großen Liebe Rosa von Praunheim entgegen. Für manchen Zuschauer war es bereits ein Abschied.

Auf die Nachricht vom Tod reagierte Praunheim erschüttert. Schroeter sei ein «großer Regisseur und wichtiger Freund» gewesen, sagte er der dpa. In einem für mehrere Zeitungen verfassten «Liebesbrief» nannte Praunheim seinen gestorbenen Kollegen einen «großen Außenseiter des deutschen Films und der Theaterbühne», einen «perversen Poeten» sowie einen «Zauberer des Lichts und der Schönheit».

Praunheim hatte dem damals 22-jährigen lebensmüden Freund nach der ersten Begegnung geraten, seine Energie in Kreativität umzusetzen. Das tat er seither wie ein Besessener ohne Zugeständnis an Zeitgeist und Erwartungen. Mehr als 80 oft umstrittene Theaterinszenierungen und drei Dutzend Filme sind so entstanden. Beigebracht hatte sich der radikale Außenseiter das Handwerk selbst. 1945 als Sohn eines Ingenieurs in Thüringen geboren, beschränkte er seine Ausbildung auf drei Wochen Psychologie-Studium in Mannheim und drei Monate Filmhochschule in München - dann legte er einfach mit der 8-mm-Kamera los. Bis zuletzt widersetzte er sich Video, Tricks und elektronischem Bildschnitt.

«Die Kunst umgibt immer ein Rätsel. Sie ist Anregung und im besten Sinne Provokation», sagte er kurz vor seinem Geburtstag in einem Gespräch mit der dpa. «Und die Dechiffrierung ist dem Zuschauer überlassen. Der Film, das Theater, findet in seinem Kopf statt. Und je mehr er gefordert wird, umso mehr hat er Freude daran.»

In seinen opulenten Werken immer wieder inspiriert von der Musik der geliebten Callas («Eine Botin zwischen Gott und den Menschen»), wurden bald auch die Theatermacher auf den Autorenfilmer aufmerksam. Am Schauspielhaus Hamburg entstand 1972 «Emilia Galotti», in Bochum ein Jahr später «Salome». Unzählige Projekte im In- und Ausland folgten. Vor wenigen Wochen feierte an der Berliner Volksbühne Bernard-Marie Koltès «Quai West» Premiere.

Wirklich sesshaft war der gewandte Kosmopolit durch seine Neugier auf Neues nie geworden. Zuletzt hatte er einen Wohnsitz in Portugal. Wenn er in Berlin war, lebte er mit seiner Freundin und Mitarbeiterin Monika Keppler zusammen. «Wir sind kein Liebespaar, wir sind Lebensgefährten», sagte er - und das seit 25 Jahren. Seine Homosexualität habe er gleichwohl immer mit einer «gewissen Selbstverständlichkeit» leben können.