Mit Pulitzer-Preis ausgezeichnet "Geächtet" von Ayad Akhtars: Neues Theater zeigt mit Pulitzer-Preis ausgezeichnetes Stück

Halle (Saale) - Ayad Akhtars „Geächtet“ ist ein Stück zur Stunde. 2013 mit dem renommierten Pulitzer-Preis ausgezeichnet, spielt es in New York unter Karriere-Anwälten, die 600-Dollar-Hemden tragen. Mit flotten Dialogen, inszeniert von Sandrine Hutinet, und der coolen Loft-Atmosphäre, die Nicolaus-Johannes Heyse andeutet, kommt es wie ein flottes französisches Boulevardstück daher.
Das broadway-bewährte Drama des amerikanisch-pakistanischen Autors trifft den Kern einer auch hierzulande um sich greifenden Verunsicherung, die mit dem Flüchtlingszustrom archaische Ängste wiederbelebt, die längst verschwunden schienen.
Das Muster ist bewährt: Zwei Paare treffen sich zum Abendessen, es kommt mehr auf den Tisch als Essen - und alles geht gründlich schief. Anwalt Amir und seine Frau Emily, die Malerin, bekommen Besuch von ihrem Galeristen Isaac und dessen Frau (und Amirs Kollegin) Jory.
Ayad Akhtars „Geächtet“ als wortreiches Match im Neuen Theater Halle
Harald Höbinger ist der ehrgeizige Amir Kapoor. Als Sohn pakistanischer Einwanderer hat er es bis kurz vor die Partnerschaft in einer jüdischen Starkanzlei gebracht. Bis er sich von seiner protestantischen, jedoch von der arabischen Kultur faszinierten Emily (Nicoline Schubert im leicht naiven Gutmenschenmodus) überreden lässt, dem muslimischen Neffen Abe (Paul M. Oldenburg) den Gefallen zu tun, dessen Imam juristisch beizustehen.
Der ist ins Fadenkreuz der nach 9/11 von wachsender Paranoia erfassten Justiz geraten. Mit Folgen. In der Kanzlei erwachen die Ressentiments und Amir wird auf seine mit vehementer Koran-Kritik abgelehnte muslimische Herkunft zurückgeworfen. So wie Isaac (lässig viril: Alexander Gamnitzer) auf seine jüdische.
Als Amir im Streit einen Hauch von Stolz erkennen lässt, dass die Flugzeuge in die Türme flogen, gibt ein islamophobes Wort das antijudäische Kontra. Dieses Abendessen eskaliert zum wortreichen Match, bei dem Amir die schärfsten religionskritischen Aufschläge hat.
„Geächtet“ von Ayad Akhtar in Halle: Gelungene Inszenierung im Neuen Theater
Überlagert wird das durch eine gekonnt ausgespielte Beziehungsebene. Es zeigt sich, dass Emile eine Affäre mit Isaac hatte und dessen Frau (exaltiert: Bettina Schneider) Amir beim Aufstieg in der Kanzlei gerade überholt hat.
Die dünne Schicht cooler Liberalität reißt schneller als es jeder für möglich gehalten hätte. Amir jedenfalls zerstört seine Ehe. Wenn der jetzt offen radikalisierte Neffe am Ende der Welt den Krieg erklärt, dann bleibt neben dem puren Entsetzen die bedrückende Erkenntnis, dass die offene Gesellschaft viele Feinde hat. Und nicht alle greifen sie von außen und mit Sprengstoff an.
Das Theater kann mit „Geächtet“ einen Volltreffer verbuchen!
Nächste Vorstellungen: am 19. und 29. Oktober jeweils 20 Uhr
(mz)