Gartenreich Gartenreich : Sound der Südsee

Wörlitz - Georg Forster war ein Liebling seiner Zeit. Bis zu seinem Mainzer Einsatz für die Französische Revolution wurde der Schriftsteller und Weltreisende, der im Alter von 39 Jahren 1794 in Paris gestorben ist, von den intellektuellen und aristokratischen Eliten des Alten Reiches als ein Wunderkind gefeiert. Tatsächlich konnte der Sohn des Naturforschers Johann Reinhold Forster (1729-1798) als der deutsche Autor gelten, der am meisten von der Welt gesehen hatte.
Mit seinem Vater gehörte der Vielbegabte zu jener Besatzung, mit der James Cook 1772 im Auftrag der britischen Krone zu seiner zweiten, drei Jahre dauernden Weltreise aufgebrochen war. Mit dem geheimen Auftrag, die „terra australis“ zu entdecken, einen vermuteten Südkontinent, zogen die Schiffe „Resolution“ und „Adventure“ in die Südsee.
Das Fürstenpaar trinkt süßen Kapwein
Die bislang größte Expeditions-Segelfahrt führte über das Kap der Guten Hoffnung durch den Pazifischen Ozean bis hin nach Neuseeland, Tahiti und zu den Tonga-Inseln. Forster senior diente als Naturforscher, Forster junior als dessen Gehilfe, der Pflanzen und Tiere zu zeichnen hatte. 1777 veröffentlichte letzterer seine „Reise um die Welt“. Ein Buch wie ein Paukenschlag. Mit ihm begann, wie Alexander von Humboldt sagte, „eine neue Ära wissenschaftlicher Reisen, deren Zweck vergleichende Völker- und Länderkunde ist.“
Die deutsche Neugier zogen die Wahl-Engländer früh auf sich. Der Schriftsteller Lichtenberg eilte 1775 von Göttingen nach London, um im September die Weltreisenden zu treffen. Fast hätte er dem Dessauer Fürstenpaar begegnen können. Zwei Wochen nach Lichtenberg suchten Franz und Louise von Anhalt-Dessau die Forsters heim. Franz, der Reinhold Forster vergeblich an den Dessauer Hof zu binden versucht hatte, erlebt gemeinsam mit seiner Frau bei süßem „Kapwein“ anregende Stunden, in deren Verlauf die Dessauer „eine große Partie“ von „ausländischen Raritäten“ erhielten: rund 30 Mitbringsel von der großen Reise. Schmuck, Werkzeug, Textilien.
Schimmelbefall im Südsee-Pavillon
Diese wurden in einem Pavillon gezeigt, der von Erdmannsdorff eigens 1784 am Eingang der Wörlitzer Anlagen errichtet worden war. Mit Unterbrechungen waren die Stücke bis 1985 zu sehen. Eine fehlerhafte Sanierung im Jahr 1984, bei der der alte Holz- durch einen neuen Sandsteinboden ersetzt worden war, ließ Feuchtigkeit ins Gemäuer ziehen. Die Südsee-Stücke mussten raus; sie begannen zu schimmeln. Ab und an tauchten fortan einzelne Teile in Ausstellungen der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz auf.
Ein Telefonanruf des ZDF-Journalisten und Forster-Forschers Frank Vorpahl bei der Kulturstiftung löste jene Aktion aus, die jetzt die Südsee-Sammlung ans Licht bringen soll. Vorpahl, der sich große Verdienste um die Wiederentdeckung der verstreuten Forster-Zeichnungen erworben hat und dieser Tage das Buch „Der Welterkunder. Auf der Suche nach Georg Forster“ vorlegt, wollte vor anderthalb Jahren einen Blick auf die Sammlung werfen. Das Projekt, eine von ihm kuratierte Ausstellung zu veranstalten, war die Antwort. Am Sonntag öffnete die Schau „Georg Forster. Der Welterkunder in Wörlitz“, annonciert als „erste Dauerausstellung der Bundesrepublik Deutschland“ für Forster.
Auf die Sammlung muss gewartet werden
Das ist etwas vollmundig formuliert, denn so winzig ist die Bundesrepublik auch wieder nicht: Geboten werden drei kleine, im leeren Zwischengeschoss des Wörlitzer Schlosses bestellte Räume. Die sind dem Politiker, Forscher und Freund des Fürstenpaares gewidmet. Von der Sammlung, die zur Zeit restauriert wird, sind nur zwei Stücke zu sehen: ein Haarteil und ein Bastrock. 2019 soll die Kollektion komplett zu sehen sein, was vier zusätzliche Kammern füllen wird.
Aus hölzernen Stäben gefügte Gatter, die an die aus Ruten gefügten Orientierungs-Karten der Südsee-Bewohner erinnern sollen, dienen als Stellwände. Das 1792er Forster-Wort „Nur freie Menschen haben ein Vaterland“ eröffnet die Schau, die zum Auftakt zahlreiche Faksimile-Abbildungen aus der von Forster gegründeten revolutionären Postille „Die neue Mainzer Zeitung oder Der Volksfreund“ zeigt. Einige erstaunliche Originale bietet der Raum zum Naturforscher: einen von Forster junior gefüllten Band des Bord-Journals der „Resolution“, Forsters Zeichnung eines Magellan-Pinguins, das 1780 gefertigte Gemälde, das beide Forsters auf Tahiti zeigt sowie Cooks Logbuch, das in der Universitätsbibliothek in Halle überliefert wurde; Reinhold Forster war von 1779 an als Naturkunde-Professor in Halle tätig, wo er gestorben ist.
Duft aus dem Reagenzglas
Der dritte Raum widmet sich Forster und dem Fürstenpaar. Drei persönliche Begegnungen sind aktenkundig: 1775, 1779 und 1785. Die von Forster enthusiastisch gepriesene Begegnung 1779 währte zwei Wochen. Ein mit Wedgwood-Geschirr dekorierter Tisch erinnert an das „Collegium“, das er im Schloss hielt. Aus einem Reagenzglas ist der aus den Blüten der Tiaré gewonnene Duft eines Öles zu erschnuppern. Auf Knopfdruck ertönen „Klänge der Hiwa“, polynesische Musik: der Wellness-Sound der Südsee.
Interessant ist die von Frank Vorpahl ausgestellte These, dass der Sockelbau des Wörlitzer Südseepavillons einem Marae - einem polynesischen Kultplatz - nachempfunden sein soll; die zackenartigen Mauer-Aufsätze erinnern demnach an die Lehnen von Priesterstühlen. Eine Marae-Fotografie lässt die These als diskussionswürdig erscheinen.
Keine Pressekonferenz, kein Magazin
Und doch, bei aller Sympathie für die kleine Schau, zeigt das Vorgehen in Sachen Forster-Präsentation etwas merkwürdig Planloses. Warum wartet man nicht dieses eine Jahr, um eine tatsächlich komplette Ausstellung zu zeigen und nicht Stückwerk, das von der Hauptsache fast nichts bietet? Zu wenig, um darüber groß zu berichten, zu ambitioniert, um es völlig zu ignorieren? Eine Pressekonferenz gab es nicht; ein erklärendes Jahres-Magazin der Kulturstiftung liegt noch immer nicht vor; der Katalog zur Schau soll im Herbst erscheinen. Dann findet eine wissenschaftliche Tagung zu den Forsters statt. Der Weg wäre aber eigentlich der: erst eine Konferenz, dann die Ausstellung - und mit dieser der Katalog.
Schließlich und vor allem: Was geschieht mit dem Südsee-Pavillon, in dem die Original-Museumsschränke stehen? Ein Forster-Museum aus dem 18. Jahrhundert! Sensationell! Das Häuschen müsste grundsaniert werden, was machbar ist. Und dann? Alles zurück? Das Verstolperte der Aktion wäre nicht weiter bemerkenswert, wenn das Forster-Erbe kulturhistorisch nicht zum Kostbarsten gehören würde, das Dessau-Wörlitz zu bieten hat. Zu kostbar für halbe Sachen.
››Schloss Wörlitz: Di-So 10-17 Uhr. Tagung: Johann Reinhold und Georg Forster - Gesammelte Welten, Wörlitz, Gasthof „Eichenkranz“ 6. bis 8.9.
››Frank Vorpahl: Der Welterkunder. Auf der Suche nach Georg Forster. Galiani Berlin, 544 Seiten, 32 Euro
(mz)