«Gangs of New York» «Gangs of New York»: Die Wurzeln der Gewalt
Halle/MZ. - Aus Ruinen und Nebenstraßen tauchen nicht weniger furchterregende Gestalten auf, bis sich Vallons Gang irischer Einwanderer und die Bande der angelsächsich-protestantischen Einheimischen unter der Führung des großspurigen, rassistischen Bill "The Butcher" Cutting (Daniel Day-Lewis) gegenüberstehen. Der rituellen Beschwörung der Kampfgesetze folgt ein unglaublich blutiges Gemetzel, das mit der Tötung Vallons durch Cutting endet und von Scorsese mit harten Schnitten und pulsierenden Rhythmen zum archaischen Schauspiel stilisiert wird.
Die Rückkehr von Vallons Sohn Amsterdam (Leonardo DiCaprio) sechzehn Jahre später ist der Auftakt einer Rachegeschichte, die fraglos zu den Schwachpunkten in "Gangs Of New York" zählt. Amsterdam schleicht sich ein in die Organisation des Todfeindes, wird zu dessen Vertrautem und hat eine Affäre mit der nur scheinbar unabhängigen Diebin Jenny (Cameron Diaz). So glänzend besetzt DiCaprio in "Catch Me If You Can" ist, so blass wirkt er in einer Rolle, die kaum Entwicklungsmöglichkeiten bietet und kein Gegengewicht ist zu Day-Lewis' grandiosem, in Maßen ambivalenten Schurken.
Als Herrscher über das Viertel "Five Points" lässt Cutting korrupte Politiker für sich arbeiten, gibt sich mit hohem Zylinder, Frack und seltsam stolzierendem Gang als seriöser Geschäftsmann. Er schlägt nur im Notfall einem Kontrahenten hinterrücks den Schädel ein. Am Ende, wenn 1863 der Aufstand der New Yorker gegen die Einberufung in die Nordstaatenarmee brutal nieder geschlagen wird, spürt auch Cutting, dass er, wie viele Figuren Scorseses, für seine Sünden auf der Straße büßen muss.
Die finale Konfrontation im Chaos von Kanonendonner und Feuersbrünsten wirkt dabei nicht weniger pathetisch als die Bildmontage, mit der Scorsese einen Bogen zur Gegenwart der Metropole schlägt. Es gibt viel zu bewundern in dieser prallen Mischung aus vertrauten Motiven und historischem Drama, über dessen Authentizität man nur spekulieren kann. Die Ausstattung ist opulent und detailverliebt, und das Aufgebot exzellenter Nebendarsteller (Jim Broadbent, John C.Reilly, Brendan Gleeson) sorgt für gelungene Einzelszenen.
Doch so faszinierend die Wiederbelebung der Vergangenheit ist - Scorsese kann weder die Kulissen von Cinecittà ganz vergessen machen noch die kinogerechten, Elemente Freundschaft, Liebe und Rache vollends überzeugend mit den ethnischen Konflikten verbinden. Mit der Folge, dass "Gangs Of New York" nur streckenweise wie aus einem Guss wirkt, und bisweilen eine dem barocken Kostüm-Melodram irritierend nah ist.