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Galerien Galerien: In den Freiräumen geht die Atemluft langsam zur Neige

Von GÜNTER KOWA 16.06.2009, 17:28

HALLE/MZ. - Unweit vom Reileck mitten in Halles bürgerlichem Paulusviertel öffnete jüngst die "Galerie Nord". Über den Auftritt konnte man nur staunen: Im gepflegten Ambiente auf zwei Etagen will ein Privatmann ohne jede öffentliche Förderung Kunst beim Publikum dieses Viertels an den Mann bringen. Zum Auftakt bot er sogar dem jungen Burg-Künstler Roland Köhler eine Plattform. Kunstförderung in privater Initiative, und das in Halle? Doch der Kontext rückt diesen Eindruck zurecht. Die Galerie in der Hand von Thomas Steuber hatte einen Vorlauf an anderer Stelle, und sie zielt mit Kunst aller Gattungen vom Jugendstil bis zur Moderne auf Käufer auch im Internet. Dass die Räume zum eigenen Haus gehören, dürfte die Kalkulation im übrigen stützen.

Dennoch - so viele Galerien wie jetzt gab es in Halle noch nie. Ihre Zukunft aber erscheint ungewiss. Zudem ist die Szene zweigeteilt. Zu den alteingesessenen und zum Teil städtisch geförderten Adressen sind die sogenannten Produzentengalerien hinzugekommen. Obwohl deren Akteure die Bezeichnung lieber abschaffen würden, ist sie doch der gemeinsame Nenner für die Förderung, die sie von der Kunststiftung Sachsen-Anhalt erhalten.

Entsprechend gut sind diejenigen, die von "Rent-a-gallery" profitieren, auf Stiftungs-Direktorin Manon Bursian zu sprechen. Denn die Förderung von rund 10 000 Euro für ein Jahr, verlängerbar für weitere zwölf Monate, entspricht ungefähr den Summen, die die Stadt bisher zum Beispiel für den Kunstverein Talstraße oder die Kunsthalle Villa Kobe ausgereicht hat. Ohne zusätzliche Sponsoren, Mitglieder oder Projektmittel kann keiner existieren.

Mit dem Hinweis auf den eigenen langen Aufstieg argwöhnen die Alteingesessenen freilich, dass "Rent-a-gallery" eine Luftnummer ist. Eine der Adressen hat schon aufgegeben. Das "Forum für zeitgenössische Keramik" wiederum will im Februar am Stammsitz in der Neuen Residenz schließen, hofft aber auf Projektmittel für Wanderausstellungen. Doch zumindest einige der Neu-Galeristen setzen sich Professionalisierung zum Ziel. Holger Neumaier etwa, der sein "Ufo" anfangs jungen Burg-Künstlern und experimentellen Richtungen öffnete, sagt unverblümt: "Es geht darum, Kunst zu verkaufen."

Ausstellungen, sagt er, müssen sich finanzieren. Also stellt er sich dem Markt. "Ich will lieber weniger Ausstellungen, dafür längerfristige Bindungen an die Künstler. Ich sehe es als meine Aufgabe an, sie aufzubauen." Und darin erkennt er auch den Sinn öffentlicher Gelder. "Es ist Wirtschaftsförderung." Wovon der Künstler lebt, sei eine Frage, die die Kunstvereine und die nicht-kommerziellen Galerien vermieden.

Und sein Kollege Sven Großkreuz vom nicht minder szenegängigen "Raum Hellrot" verweist auf international anerkannte Leipziger Adressen wie die Galerie Kleindienst, die auch auf studentischer Basis angefangen hätten. Zu wenig Kunst von Einsteigern werde in Halle gezeigt, und dies hält er für das Versäumnis städtischer Förderpolitik eines ganzen Jahrzehnts. Daher sei es "klug und weitsichtig", was die Kunststiftung jetzt bewirke, erst recht mit dem neuen Programm einer direkten Bezuschussung von Messeauftritten für Galerien.

Tatsächlich bietet die städtische Förderpolitik derzeit ein verworrenes Bild. Das ist nicht allein der angespannten Haushaltslage geschuldet. Zum Eindruck eines Rückzugs aus der Verantwortung trägt auch der Umstand bei, dass Förderzusagen an die Stiftung der Stadtsparkasse ausgelagert wurden. Die aber zieht sich zurück, seitdem sie ihr eigenes "Kunstforum" gründete, das nun auch seinen Platz in der Landschaft sucht.

So weiß Michael Kobe von der Kunsthalle Villa Kobe nicht, was nach dem Ausbleiben von bisher 12 000 Euro noch zu erwarten ist. Vorerst zahlt er Fehlbeträge aus eigener Tasche und setzt neuerdings auf Erotica, doch am Ende wird nur noch die jährliche "Große Kunstausstellung" bleiben, fürchtet er - für die Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados privat einen eigenen Preis gestiftet hat. Und Matthias Rataiczyk vom Kunstverein Talstraße kann einen Anbau nur deshalb planen, weil er auf künftig tausend Mitglieder hofft, die für die Grundfinanzierung seines Programms "hallescher Spurensuche" reichen würden.

Das Janusgesicht der städtischen Kulturpolitik zeigt sich in der Hängepartie der "Galerie am Domplatz". Ulrich Zeiners Einmann-Betrieb hat über Jahrzehnte das Thema hallesche Szene einst und jetzt beleuchtet, und dafür war er mit einer Voll-Förderung von 50 000 Euro pro Jahr privilegiert. Zwar zeigte sich der Galerist oft eigensinnig, und es stellt sich die Frage nach der Erschließung neuer Publikumsschichten. Die Stadt aber hält Geld zurück und macht zur Zukunft keine Aussagen. Das Ende droht nicht deshalb, weil die Stadt es so beschlossen hätte, sondern weil sie sich davonstiehlt.