Frisches Storytelling: Kinderzimmer Productions
Hamburg/dpa. - Seit mittlerweile 13 Jahren setzt das Ulmer Rap-Duo Kinderzimmer Productions Kontrapunkte im deutschsprachigen HipHop. Jetzt erscheint das sechste offizielle Album von MC Henrik von Holtum aka Textor und DJ Sascha Klemmt aka Quasimodo. Die zwei Sample- und Reimakrobaten haben ihre neue Platte «Asphalt» genannt und beweisen erneut, dass es bei Rap nicht unbedingt um die größte Härte und den Wettlauf um Trends gehen muss.
Im Gegensatz zu einer ganzen Reihe von Kollegen aus dem deutschen HipHop-Geschäft haben Kinderzimmer Productions den Aufstieg, den Fall und das Aufblühen einer neuen Generation ihres Genres so gut wie unbeschadet überstanden. Mit Sicherheit ist dieser Erfolg, der allerdings auch von einem Schlingerkurs zwischen Indie- und Major-Strukturen gekennzeichnet war, dem Selbstvertrauen geschuldet, mit dem Textor und Quasimodo stets darauf gepfiffen haben, sich an schnelllebige Trends zu hängen.
Die Stärke der Kinderzimmer Productions hat von Anfang an darin gelegen, auf die Imitation bewährter internationaler Strickmuster zu verzichten. Henrik von Holtum und Sascha Klemmt haben sich vom Oldschool-HipHop, mit dem sie aufgewachsen sind, inspirieren lassen, aber ihn niemals schlicht in die eigene Sprache übersetzt. Und die beiden Musiker haben ihre Einflüsse nicht ausschließlich in der HipHop- und Rap-Subkultur gefunden, sondern bedienen sich seit jeher auch ausgiebig aus der vollen Bandbreite afro-amerikanischer Musik von Funk bis Jazz.
Auch das Album «Asphalt» lebt von der musikalischen Offenheit seiner Macher. Kinderzimmer Productions sampeln sich durch die Dekaden von altem Jazz bis zu den stärksten Sound-Zitaten aus der Oldschool-HipHop-Welt und vermeiden dabei, zu dick aufzutragen. Ihre Stilvorlagen bleiben relativ transparent, zuweilen sogar spartanisch. Die Hauptrolle spielt nach wie vor das Storytelling: An das Sprachgefühl und den Witz, mit dem Textor seine Reime zusammenbaut, kommt bis heute kaum ein anderer deutschsprachiger MC heran. Für den markanten Flow, in dem Textor seine Storys zum Besten gibt, gilt ähnliches.
Wer von den gestandenen Herren des deutschsprachigen HipHop eine Kampfansage an die aktuelle Entwicklung in Richtung Gangster-Rap und Aggro-Gebaren erwartet, wird mit «Asphalt» nicht wirklich glücklich werden. Auf dieser Platte wird nicht offensichtlich gedisst. Viel mehr scheint es dem Duo um eine Alternative zum Sound der neuen Rap-Generation zu gehen, nicht um eine direkte Reaktion auf deren Inhalte und Styles. Kinderzimmer Productions sind nach wie vor musikalische Forscher und keine Missionare der Inhalte einer ohnehin längst in zahlreiche Facetten zersplitterten Subkultur.
Ein bisschen Nostalgie schwingt mit, wenn man Textor und Quasimodo auf «Asphalt» zuhört. In vielen Momenten erinnern die Tracks dieses Albums an die Zeiten, in denen die Protagonisten des deutschsprachigen Raps noch in erster Linie mit der Beschreibung eigener Wirklichkeiten beschäftigt waren, statt mit der Konstruktion künstlicher Images, die sich an internationalen HipHop-Klischees wie Härte und Machismo orientieren. Den mahnenden Zeigefinger lassen Kinderzimmer Productions dennoch unten: «Asphalt» klingt trotz zahlreicher Verweise auf die Glanzzeiten des Genres frisch und visionär genug, um es auch der zweiten hiesigen HipHop-Generation wärmstens ans Herz zu legen.