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Frida Hockauf Frida Hockauf: Erst die Arbeit, dann das Leben

Von Christian Eger 09.12.2003, 17:54

Halle/Zittau/MZ. - Das war keine Kleinigkeit. Frida Hockauf, 50, Weberin in Zittau, hatte sich ihr Stück Stoff gut eingeteilt: Zehn Meter widmete sie dem Weltgewerkschaftskongress in Wien, 15 Meter der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, 20 Meter als Geburtstagsgruß dem Präsidenten Wilhelm Pieck. Wozu das alles? Frida Hockaufs private Antwort wurde - leicht geschliffen - zum Propaganda-Wort: "So wie wir heute arbeiten, wird morgen unser Leben sein". In jeden Betrieb soll diese Losung dringen, forderte Ulbricht und erfand die "Hockauf-Bewegung". Der Volksmund unkte: "So wie wir heute leben, haben wir nie gearbeitet".

In einem Museum der DDR-Alltagsgeschichte dürfte Frida Hockauf, 1903 geboren im schlesischen Reichenau (heute Bogatynia / Polen), nicht fehlen. Nicht ihre Person, aber ihre Propaganda-Gestalt avancierte zu einem Mythos der Ost-Arbeitskultur der 50er Jahre, die auf Plan-Drill setzte und Konsumverzicht im Blick auf bessere Zeiten, die kommen sollten, irgendwann.

Die Hockauf-Bewegung war taktisch so gut gemeint wie strategisch sinnlos, denn ein Mehr an Produktion sicherte kein Mehr an Materialnachschub und -absatz. Ideologisch wurde das Volk nach dem 17. Juni und gegen den Westen bei der Stange gehalten. Ein an Selbstausbeutung grenzender Norm-Drill setzte sich fort, der zu jenen Bilanz-Fälschungen führte, denen die DDR verfallen sollte.

Für all das hat Frida Hockauf auch gerade stehen müssen: Frida, geborene Kloos, neuntes Kind eines schlesisches Webers, der ein Sozialdemokrat gewesen war. 1909 Ankunft in Zitau: Volksschule, Hausmädchen-Job, 1923 Heirat mit dem Weber und Sozialdemokraten Alfred Hockauf, 1933 zu 15 Monaten Haft verurteilt. 1946 SED-Eintritt, Arbeit im VEB Mechanische Weberei - und am 29. September 1953 die legendäre Selbstverpflichtung als weibliches Pendant zum Oelsnitzer Normbrecher Adolf Hennecke. Eine tüchtige, allem Personen-Rummel abgeneigte Frau sei Frida Hockauf gewesen, berichtet eine Verwandte aus Zittau. Der viel zitierte Slogan sei wie nebenbei bei einem Brigade-Frühstück gefallen. Hass sei Frida Hockauf fortan entgegengeschlagen: Sie "henneckt", hieß es höhnisch. Kettfäden an ihren Webstühlen wurden zerschnitten, falsche Spulen angeliefert. Alfred Hockauf, der bei der Kripo arbeitete, habe seine Frau täglich vom Werk abholen müssen. Hinter dem Webstuhl stand sie nicht mehr lange: Von 1954 an war Frida Hockauf Volkskammer-Abgeordnete, von 1955 an Sachbearbeiterin in der Weberei. Ihre Tochter Ursula studierte Pädagogik an der Lomonossow-Universität in Leningrad. 1974 starb die "Meisterweberin" im Alter von 70 Jahren.

In Zittau, einem 26 000-Seelen-Ort, ist Frida Hockauf heute vergessen. Ein deutsches Nachkriegsleben: nicht Ostalgie-tauglich, überhaupt nicht heroisch, heiter schon gar nicht. Die Hockauf-Straße heißt wieder Ziegelstraße. Die Hockauf-Büste auf dem Weberei-Gelände ist mit dem Abriss des Werkes Mitte der 90er Jahre verschwunden. Das Stadtmuseum hat noch keinen Plan für die Präsentation der DDR-Geschichte. Geblieben ist das Grab von Frida Hockauf und ihrer Tochter auf dem Urnenhain des Städtischen Friedhofs. Wer das stets gepflegte Grab frisch hält, weiß nicht einmal die Ortsgruppe der PDS.