Freie Kammerspiele Freie Kammerspiele: Das Theater entdeckt die Seifenoper
Magdeburg/MZ/ahi. - Lange, viel zu lange haben sich die Theater von dem vermeintlich übermächtigen Gegner in die Defensive drängen lassen, nun aber wird endlich Widerstand geleistet: Mit seiner neuen Arbeit an den Freien Kammerspielen Magdeburg sagt Regisseur Lukas Langhoff dem Fernsehen nicht nur den Kampf an, er schlägt das Medium sogar mit seinen ureigenen Mitteln. "Knietief im Dispo" heißt die Doku-Soap, deren erster Teil bereits die grundsätzlichen Verabredungen erkennen ließ - und unbedingt Appetit auf eine Fortsetzung machte.
Das Geschehen in einer Bankfiliale wird dabei schnell zur Nebensache, wenn der Zuschauer sich auf die Methode einlässt: Die Schauspieler, die erst mit Beginn der Vorstellung ihre Rollen erfahren, lesen den - farblich unterlegten - Text von diversen Monitoren. Das Publikum kann mit Hilfe eines Terminals verschiedenfarbige Lampen bedienen und damit wahlweise Erotik, Emotionen oder Tiefgang der Szene forcieren.
Damit entsteht - vor allem dank des gut gelaunten und bestens aufeinander eingespielten Ensembles - eine heitere bis alberne Inszenierung, die dennoch Grundsätzliches verhandelt. Denn in der spontanen Konfrontation mit Situationen und Regieanweisungen verhandeln die Schauspieler auch eigenes Handwerk, die Imitation des Lebens ist zugleich ein Theater-Diskurs.
Lukas Langhoff, der als Spielleiter nicht an selbstironischen Scherzen spart und im Elvis-Kostüm aus seiner "Leonce und Lena"-Inszenierung durch den Abend führt, betont diese Brüchigkeit geschickt: Immer wieder konfrontiert er die Darsteller mit Fragen nach ihrer Figur, fängt sie mit Textschleifen ein oder fordert ihnen stilistische Wechsel ab. So darf in dieser Spätvorstellung Abend nicht nur gelacht, sondern auch gedacht werden - was "Knietief im Dispo" dann doch haushoch über die meisten Fernseh-Soaps hinaushebt.
Folge eins noch einmal am Sonnabend, Folge zwei am 8. November, Beginn jeweils 22.30 Uhr.