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Frauenhändler und indische Mädchen

Von Doreen Fiedler 22.01.2013, 12:00

Neu Delhi/dpa. - Mit jedem Verkauf stieg der Preis. Nach ihrer Entführung war die 15-jährige Sita 6000 Indische Rupien wert, das Bordell in Mumbai zahlte 60 000 Rupien für sie, der Restaurantbesitzer in Paris 5000 Euro und ein Pädophilenring in den USA 30 000 Dollar.

Ihrer zwei Jahre älteren Schwester Ahalya erging es nicht besser. «Das Mädchen ist jede Rupie wert», pries der Bordellbesitzer sie dem Freier an. Umgerechnet etwa 800 Euro kostete ihre Jungfräulichkeit. Corban Addison beschreibt in seinem Debütroman «Du bist in meiner Hand» die Lebenswege zweier Mädchen, die in einem Tsunami an der Küste Indiens ihre Familie verloren und dann von einem Menschenhändler an den nächsten weitergereicht werden. «Von nun an trug sie für ihre Schwester die Verantwortung. Sie durfte nicht versagen», denkt Ahalya nach dem Tod der Eltern. Und als sie mit ihrer Schwester im größten Rotlichtviertel Mumbais landet, wird ihr klar: «Seine Gefühle waren durch das Leben im Bordell völlig verdorben und verzerrt worden. In Golpitha war Liebe Sex und Sex Vergewaltigung.»

Es sei ein «fiktives Werk, der Handel mit Menschen ist jedoch nur allzu real», schreibt Addison am Ende des Buches. Von dem kriminellen Geschäft sei fast jedes Land der Welt betroffen und jährlich würden damit 30 Milliarden Dollar Gewinn erzielt.

Der Leser merkt dem Roman an, wie sehr Addison das seiner Meinung nach viel zu häufig verdrängte Thema am Herzen liegt. Die Figur des zweiten Erzählstrangs steht Addison nah: Der junge US-Anwalt Thomas Clarke sucht nach Sinn in seinem Leben und engagiert sich bei einer Nichtregierungsorganisation (NGO) im Kampf gegen Prostitution in Indien. Der Autor studierte selbst Jura, arbeitete sieben Jahre als Prozessanwalt und arbeitet für verschiedene Initiativen für Menschenrechte.

Für die Recherche war Addision in Indien unterwegs - leider liest sich das Buch deswegen leider stellenweise wie ein Reiseführer, in dem die Stereotype Mumbais abgeklappert werden. Der Verkehr mit seinen Rikschas ist verrückt, die Menschen hängen aus den Zugtüren und natürlich trifft er sich mit Frauen in den Hängenden Gärten und dem berühmten Leopold-Café. Hinzu kommen klassische Indien-Weisheiten: «In Bombay gilt nur eine Regel. Du musst lernen, dich anzupassen.»

Das geht in Paris, wohin Sita zum Schmuggel von Heroin gebracht wurde, so weiter: Studium an der Sorbonne, die Gärten von Pont Neuf, Espresso-Duft und immer wieder Croissants. Doch zeigt Addison mit der Führung durch das zehnte Arrondissement und später in US-amerikanische Fernfahrerkneipen, dass Zwangsprostitution beileibe nicht nur in Schwellen- und Entwicklungsländern vorkommt.

orban Addison

Du bist in meiner Hand

Heyne Verlag

544 Seiten, 19,99 Euro

ISBN: 978-3-453-26790-9

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Addison über seine Beweggründe