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Französischer Kardinal Jean-Marie Lustiger gestorben

06.08.2007, 15:29

Paris/dpa. - Der Kardinal und ehemalige Erzbischof von Paris, Jean-Marie Lustiger, ist im Alter von 80 Jahren nach langem Krebsleiden gestorben. Führende Politiker und Kirchenvertreter würdigten den einst vom Judentum zum Christentum konvertierten Oberhirten am Montag als Brückenbauer und große Persönlichkeit. Lustiger war am Vortag in einem Hospiz der französischen Hauptstadt entschlafen.

Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nannte ihn eine «große Persönlichkeit des spirituellen, moralischen, intellektuellen und natürlich des religiösen Lebens unseres Landes». Papst Benedikt XVI. würdigte Lustiger als «große Gestalt der Kirche in Frankreich». Er habe sich als Mann des Dialogs um die immer brüderlicheren Beziehungen zwischen Christen und Juden verdient gemacht.

Lustiger wurde 1926 in Paris geboren und wuchs als Kind jüdischer Einwanderer in Frankreich auf. In seiner Kirchenlaufbahn stand Lustiger vor allem Papst Johannes Paul II. sehr nahe. Der konservative, populäre und engagierte Kirchenmann habe «nie halbe Sachen gemacht» und sei als Kardinal unablässig im Geist der Generation von Johannes Paul II. tätig gewesen, betonte Sarkozy. Auch der Zentrumspolitiker François Bayrou nannte Lustiger «eine zentrale Figur des französischen Humanismus».

In einem Nachruf lobte der Vorsitzende des Rates Jüdischer Institutionen in Frankreich, Richard Prasquier, Lustiger habe bei der Verbesserung des jüdisch-christlichen Verhältnisses «eine wichtige historische Rolle gespielt.» Lustiger hatte auch im Hintergrund der politischen Annäherung zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel gestanden, die 1994 volle diplomatische Beziehungen aufnahmen.

Die Trauerfeierlichkeiten für den ehemaligen Erzbischof werden für diesen Freitag in der Kathedrale Notre-Dame de Paris vorbereitet. Bereits am Montagabend wollte Lustigers Nachfolger als Erzbischof von Paris, André Vingt-Trois, eine Gedenkmesse für den Gestorbenen halten. Vingt-Trois hatte Lustiger am 11. Februar 2005 abgelöst. Lustiger hatte das Amt des Erzbischofs nach 24 Jahren abgegeben.

Während eines Deutschlandaufenthalts im Jahr 1937 wurde er mit dem Antisemitismus des Nationalsozialismus konfrontiert. Er entschloss sich, zum Katholizismus zu wechseln. Seine Mutter kam 1943 im NS-Vernichtungslager Auschwitz ums Leben. Im Jahr 1979 wurde Lustiger Bischof von Orléans, fünfzehn Monate später Erzbischof von Paris, bevor er 1983 von Papst Johannes Paul II. zum Kardinal ernannt wurde.

Lustiger war Anfang April in ein Pariser Krankenhaus gebracht worden. Bereits im Oktober 2006 hatte er wissen lassen, dass er an einer schweren Krankheit leide. Der gemäßigte Traditionalist gründete 1981 den Radiosender Notre-Dame und wurde 1995 in die renommierte Académie française aufgenommen. Er veröffentlichte über 20 Bücher.