Fotografie Fotografie: Der «Helmut Newton des Ostens» feiert Geburtstag

Markkleeberg/dpa. - Seine Mädchen sind jung, unschuldig undnackt. Und sie haben Vertrauen zu ihm, dem Altmeister derostdeutschen Aktfotografie und einem der wichtigsten Modefotografender DDR, Günter Rössler. Diesen Freitag (6. Januar) feiert derGrandseigneur 80. Geburtstag - und steht nach wie vor täglich hinterder Kamera. Wie kein anderer Fotograf rückte er in Zeiten derdeutsch-deutschen Teilung die Freizügigkeit als Sinnbild derkollektiven FKK-Welle ins rechte Licht und wurde dafür zum HelmutNewton des Ostens stilisiert. «Bei Newton dominiert die Pose, bei mirgeht es um höchstmögliche Authentizität der Mädchen», ist die Devisedes Jubilars.
Schüchtern oder lasziv, strahlend oder kühl - schon beim Weg überdie schmale Holzstiege in das intime Atelier unter dem Dach seinesWohn- und Arbeitshauses in Markkleeberg nahe Leipzig bekommt derBesucher eine künstlerische Visitenkarte von Rösslers Schaffen.Großformatige Fotografien aller Lebensabschnitte schmücken die Wände,kaum ein Fleckchen Weiß ist mehr frei. Nach einer Fotografenlehrehatte Rössler die Leipziger Hochschule für Grafik- und Buchkunstabsolviert. Bis heute arbeitet er ausschließlich mit Schwarz-Weiß-Film im Kleinbildformat, lehnt Digitalfotografie ab und entwickeltund vergrößert ausschließlich in der eigenen Dunkelkammer. 2500Grazien waren es wohl, die er auf Zelluloid gebannt hat, nur diewenigsten davon waren Profis. Statt von Models spricht Rössler liebervon Mädchen. «Die größte Bedingung, die ich stelle: Sie müssenintelligent sein», sagt er.
Und so lädt er die jungen Frauen, die er heute noch in Cafésanspricht, erst einmal auf seine weiße Ledercouch zum Plausch ein,bevor er das erste Mal die Blitzanlage anschaltet und durch denSucher der Kamera blickt. «Und sie dürfen keine Tattoos und Piercingshaben. Auch Halsketten oder so was müssen sie ablegen. Das macht sienicht schöner, sondern lenkt nur ab.» Seinen von Sparsamkeit undÄsthetik geprägten Blick auf den weiblichen Körper machten zu DDR-Zeiten die Frauen- und Modezeitschrift «Sibylle» und das leichterotische Unterhaltungsjournal «Magazin» zur Bückware - fern dersozialistischen Staatskunst.
Und selbst der «Playboy» druckte 1984 ein zehnseitigesKunstpictorial unter dem Titel «Mädchen der DDR». «Der "Playboy" warimmer laut, farbig und ging nicht selten an die Grenzen desPornografischen. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, dass man dortmeine Bilder wollte.» Noch heute erinnert er sich genau, wie er beiMaler Willi Sitte, dem damaligen Vorsitzenden des Verbandes BildenderKünstler, um Erlaubnis bat. Mit dem Honorar von 1500 D-Mark fuhr erzum ersten Mal in den Westen, nach Frankreich. Reisen ist bis heuteseine Leidenschaft geblieben, erzählt er.
Dann klingelt das Telefon. Ein in Kasachstan lehrender Professoraus Deutschland ist am anderen Ende und schwärmt Rössler von denschönsten Frauen vor, die er jemals gesehen hat. Er müsse im Sommerkommen und sie ablichten. «Das wäre schon ein Traum. Mal sehen, obich das gesundheitlich packe. Aber es reizt mich doch sehr», sagt er.Einst als Obszönitäten betrachtet, gelten Rösslers Arbeiten heute alsbedeutende Gegenwartskunst und sind in zahlreichen Kunstsammlungenvertreten.
Trotz einer Herzoperation vor einigen Jahren gönnt sich der Mannmit schlohweißem, wallendem Haar keine Pause. «Über dem Fensterbrettzu hängen und auf die Straße zu schauen, das ist nichts für mich.»Außerdem wurde er vor zweieinhalb Jahren noch einmal Vater, als seineEhefrau und Assistentin Kirsten Schlegel (36) Tochter Filia gebar.Kirsten hatte bereits im Alter von 14 Jahren für Rössler vor derKamera posiert. Heute steht sie mehr und mehr hinter der Kamera -auch sie fotografiert ausschließlich Frauen.
Ob sich seine Verehrer und Verehrerinnen bald auf eine gemeinsameAusstellung freuen können, lässt er offen. Doch es wird 2006 eineJubiläumsschau geben, die im Juni im Stadtgeschichtlichen Museum inLeipzig eröffnet und drei Monate später durch Ostdeutschland aufWanderschaft gehen wird. Das Interesse an Rössler ist nach wie vorvorhanden; erst im Dezember 2005 erschien eine 250-seitige Biografie.Und nach wie vor klingelt täglich das Telefon. Es sind Frauen, diesich vor seiner Kamera ausziehen wollen - und selbst dafür nochbezahlen würden.