Fotoausstellung Fotoausstellung von Harald Kirschner in Magdeburg

Magdeburg - Da stehen sie und können nicht anders: An der feierlichen Eröffnung des Luther-Jahres 1983 auf der Wartburg nahmen auch Staatsvertreter aus Ost-Berlin teil. Der Präsident der DDR-Volkskammer Horst Sindermann, vormals SED-Chef im Bezirk Halle, ehrte den Reformator zu dessen 450. Geburtstag auf der Feste bei Eisenach ebenso wie Gerald Götting, der Vorsitzende der DDR-CDU.
Der Leipziger Fotograf Harald Kirchner hat den SED- und den Blockpartei-Politiker unter anderem in jenem Moment festgehalten, da sie das Gemälde „Martin Luther als Junker Jörg“ von Lucas Cranach dem Älteren betrachten: Sindermann sieht Luther an - im wörtlichen wie übertragenen Sinne ein Bild, das es in der atheistischen DDR wenige Jahre zuvor so nicht zu sehen gegeben hätte.
Das Luther-Jubiläum bot 1983 Gelegenheit der Öffentlichkeit, zumal der westlichen, zu zeigen, wie eng der Staat mit der „Kirche im Sozialismus“ verbunden war - auch wenn das nur der Propaganda diente, um das Ansehen des Honecker-Staats in der Welt etwas aufzupolieren.
Christen in der DDR: In der Erziehungsdiktatur
„Die Kirchen sollten zum internationalen Renommee der DDR beitragen. Unter dem Oberthema ,Friedenspolitik‘ war die SED-Führung an einer Einbindung der Kirchen interessiert“, schreibt Wolfgang Thierse (SPD) im Vorwort zu Kirschners Bildband „Credo - Kirche in der DDR“. Der Bundestagspräsident a. D. kennt sich aus: 1943 in Breslau geboren, ist er als Katholik in der DDR sozialisiert worden.
Doch während der Staat Luther feierte, wurde jungen Menschen, die aus christlichem Elternhaus kamen oder Kinder von Theologen waren, der Zugang zu Abitur und Universität verwehrt. Und wer sich gar in der kirchlichen Friedensbewegung engagierte, war nicht selten ein Fall für die Stasi. „Die DDR war eben auch eine weltanschauliche Erziehungsdiktatur“, wie Thierse in seinem Beitrag bemerkt.
Harald Kirschner hat in den 1980er Jahren Feste der evangelischen wie der katholischen Kirche in der DDR mit seiner Kamera begleitet. Den Anlass dazu bot für den 1944 in Reichenberg (heute Liberec, Tschechien) geborenen und nach dem Zweiten Weltkrieg in Mecklenburg aufgewachsenen Katholiken und Absolventen der Hochschule für Grafik und Kunst (HGB) in Leipzig ein kirchliches Ereignis in Polen: Als er 1979 hörte, dass Papst Johannes Paul II. eine Messe in seiner Heimatstadt Kraków (Krakau) halten werde, war für ihn klar, dass er das Ereignis im Schwarz-Weiß-Bild festhalten wollte, wie er in einem Gespräch mit Bernd Lindner berichtet, das dem Bildband beigegeben ist.
Kirschner, der zu dieser Zeit Assistent für Fotografie an der Leipziger HGB war, konnte nur einige der bei der Papstmesse gemachten Aufnahmen im „Tag des Herrn“, einer katholischen Wochenzeitung, veröffentlichen, andere, das heißt: staatliche Printmedien lehnten sein Angebot dankend ab. Dennoch hat der Fotograf weiter kirchliches Leben fotografiert, meistens im Eigenauftrag, wie er sagt. Und besonders gern im Freien: „Am liebsten fotografiere ich auf der Straße“, bekennt Kirschner.
Zu den stärksten Aufnahmen neben der oben genannten Feier zur Eröffnung des Luther-Jahres 1983 zählt jene Leidensprozession, die Kirschner am Palmsonntag 1981 in Heiligenstadt, dem Zentrum der katholischen Enklave Eichsfeld, auf Film bannte.
Ernsten Blickes und gemessenen Schrittes tragen mehrere Männer in schwarzen Anzügen, weißen Handschuhen und mit Zylindern auf den Köpfen ein Kruzifix durch die Straßen. Ironisch gebrochen wird die Szene durch eine dieser nichtssagenden Losungen an einem leerstehenden Ladenlokal, die da lautet: „Vorwärts zum X. Parteitag der SED.“
Der gelebte Glaube: Christen in der DDR
Dass das christliche Bekenntnis in der DDR nicht nur in geschlossenen Räumen der Gotteshäuser, sondern eben auch unterm freien Himmel und recht groß gefeiert wurde, belegen ferner Kirschners Aufnahmen zur Feier des 750. Todestages der Heiligen Elisabeth. Aus diesem Anlass trafen sich 1981 allein zum Abschlussgottesdienst rund 65 000 Katholiken auf dem Erfurter Domplatz.
Ebenso beeindruckend präsentierte sich der gelebte Glaube in der DDR beim Katholikentreffen - das nicht Katholikentag wie im Westen heißen durfte - 1987 in Dresden: 120 000 Menschen kamen dort an vier Tagen zusammen. Das dürfte auch für die Staatssicherheit Schwerarbeit gewesen sein, da zu den Gästen unter anderem Hans-Otto Bräutigam, der damalige Ständige Vertreter der Bundesrepublik in der DDR, gehörte.
Es überrascht jedoch zu sehen, dass sich so mancher Kirchenfürst in der DDR im schwarzen Mercedes durch die Lande chauffieren ließ, wie etwa bei Gelegenheit der 750-Jahr-Feier des Zisterzienserklosters St. Marienthal in der Oberlausitz 1984.
Einen wenig bekannten Teil der DDR-Geschichte buchstäblich anschaulich zu machen, ist das Verdienst von Harald Kirschners großartigen Aufnahmen.
Gemeinsam mit dem Roncalli-Haus präsentiert die SPD-Landtagsfraktion in Magdeburg die Ausstellung „Credo – Kirche in der DDR“, in der ausgewählte Fotografien aus dem gleichnamigen Bildband von Harald Kirschner zu sehen sind. Der erste Teil ist im Landtag von Sachsen-Anhalt, Domplatz 6, ausgestellt, der zweite im Roncalli-Haus, Max-Josef-Metzger-Straße 12. Die Schau ist bis zum 21. Dezember, werktags von 8 bis bis 18 Uhr, geöffnet. Der Eintritt ist frei.
(mz)