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"Formel Eins - 30 Jahre"  "Formel Eins - 30 Jahre" : Peter Illmann reloaded auf RTL Nitro

Von Christian Bos 17.10.2013, 15:20
Miley Cyrus darf auch mitspielen.
Miley Cyrus darf auch mitspielen. REUTERS Lizenz

Köln/MZ - Wir hatten ja nichts. Kein Kabel, kein MTV. Nur diesen komischen Typen, der wie angewurzelt in der linken Bildhälfte stand und sich, wenn er seine Anmoderationen schluckaufte, seltsam schüttelte. Als rüttelte außerhalb des Bildes jemand an seinen Unterschenkeln. „Formel Eins“ nannte sich die Sendung, die ab April 1983 durch die Dritten Programme wanderte und Videoclips präsentierte. Als erstes und einziges Format im deutschen Fernsehen. Na ja, fast. Vorher gab es bereits „Pop Stop“, Thomas Gottschalks erste TV-Sendung, ebenfalls vom Bayerischen Rundfunk produziert. Da liefen die Clips zu Visages „Fade To Gray“, „Golden Brown“ von den Stranglers und „Babooshka“ von Kate Bush. Ab und an trat eine Neue-Deutsche-Welle-Band live im Studio auf und hampelte im unbedarften Stil der Zeit zwischen der kreativ gebogenen Hasenstallgitter-Kulisse. Die 80er fingen gut an. Wir ahnten ja noch nichts. Und dann kam „Formel Eins“.

Jetzt, zum 30. Geburtstag, der Clipshow, hat sich Peter Illmann noch einmal in die linke Bildhälfte gestellt. Er wackelt sogar noch so wie damals. „Formel Eins – 30 Jahre“ ist eine auf zehn Folgen angelegte Rückschau, läuft aber nicht bei der ARD, sondern auf RTL Nitro, dem Männersender der Kölner Mediengruppe, auf dem sonst Trucker auf Eisstraßen durch Alaska brettern. Da ist der pinke Studebaker Starlight, das nicht Formel-Eins-taugliche Markenzeichen der Sendung, ein ungewohnter Farbton. Ansonsten muss sich aber niemand umorientieren, das Format kopiert, wie so viele, Oliver Geissens „Ultimative Chartshow“. Ein willkürlich gewähltes Genre im vorgeblich von Media Control ermittelten Countdown, semiprominente Kommentatoren, die störend im Bild aufpoppen und manchmal nur den Namen des Interpreten noch einmal aussprechen, dafür aber falsch.

Littbarski trägt "Vokilia"

Zum Auftakt sollen es die „30 besten Pophits“ sein. Und es fängt gleich gut an, mit Grace Jones‘ „Slave To The Rhythm“. Der Clip läuft zirka fünf Sekunden ungestört. Dann poppt Pierre Littbarksi auf, zu Formel-Eins-Zeiten war er Torschützenkönig und kommentiert mit Fachmannblick: „toller Körper“. Wer wirklich das Video sehen will, kann ja auf „Youtube“ klicken, so die Gema ihn lässt. Später behaupte Litti in den 80er Jahren seine Haare als „Vokilia“ getragen zu haben. Vorne kirz, linten ang.

Bleiben wir fair: Es gibt auch Kommentatoren, die habe etwas zu erzählen. Zum trashigen „Tarzan Boy“ von Baltimora etwa, erinnert sich der Gas-Spaß-Markus, wie Jimmy McShane, der zum Gesang mimende Vortänzer der Italo-Truppe ihn beharrlich angegraben habe. Thomas Anders erzählt, wie sein Schoßhund der Maria-Magdalena-Sandra aufs Hotelbett geschissen hat. Und MTV-Urgestein Steve Blame ist mal bis auf einen Meter an Michael Jackson rangekommen: „Der war gelb! So eine komische Farbe.“ Peter Illmann reicht nach, dass Eddie van Halen das Gitarrensolo von „Beat It“ gespielt habe. Doch, echt. Wette, das wusste noch niemand. So viel aus den Hinterzimmern des Pop. Spätgeborene haben nichts weiter verpasst.

Plötzlich platzt Miley Cyrus in die Nostalgie-Veranstaltung. Man wolle zeigen, was heute so in einer Formel-Eins-Sendung vorkäme. Und wir dachten, man wolle einfach noch einmal Miley Cyrus nackt auf der Abrissbirne zeigen. Die chronisch Unangezogene darf jedenfalls ungestört durchs Bild schaukeln, als einzige.

Bald folgt der einsame Höhepunkt der Dreiviertelstunde, ein Zusammenschnitt der „schrägsten Outfits“, die Nitro-Texter habe sich auch sprachlich in die 80er eingefühlt. Das ist billig, aber dankbar. Der Sänger eines völlig vergessenen Duos hat sich durchsichtige Plastikbecher mit Strohhalm auf seinen schwarzen Anzug gepappt. Das ist schwer zu toppen.

Der zweiterfolgreichste Popsong der Formel-Eins-Zeit ist, laut Media Control, „Lambada“ von Kaoma. Beim gleichnamigen Tanz musste man seine Geschlechtsteile zu Akkordeonklängen aneinander reiben. Und die Nummer Eins auf der Zielgeraden? Man mag es kaum glauben: „I Promised Myself“ vom ehemaligen Madonna-Anhängsel Nick Kamen. Dazu die fachliche Einordnung von Wilson Gonzales Ochsenknecht: „Ich kann mich sehr gut an den Song erinnern. Nur nicht so direkt, weil ich in dem Jahr auf die Welt gekommen bin.“

Die Geschichte der frühkindlichen Diagnostik muss neu geschrieben werden. Nächste Woche stellt Peter Illmann die größen New-Wave-Hits vor. Mal sehen, was Wilson und Litti dazu sagen. 

Formel Eins – 30 Jahre, RTL Nitro, 19.10., 19.20 Uhr