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Filmfestival Venedig mit breitem Spektrum

Von Hanns-Jochen Kaffsack 27.08.2009, 10:03

Venedig/dpa. - Keine «Boutique» für den elitären Geschmack, aber auch keine Anbiederung an das Massenkino: Venedig will in diesem Jahr mit einem breiten Spektrum neuer Filme jedem etwas bieten und niveauvoll glänzen.

«Das ist endlich das Festival, wie ich es immer wollte», glaubt der künstlerische Direktor Marco Müller die richtige Auswahl für die 66. Ausgabe vom 2. bis 12. September gefunden zu haben. Ins Rennen um den Goldenen Löwen gehen mit Werner Herzog und Fatih Akin gleich zwei erfolgsverwöhnte deutsche Regisseure. Und es zeichnet sich in Venedig ein Kampf der Alten gegen die Neue Welt ab - denn aus den USA kommen allein sechs der 24 Wettbewerbsfilme, also jeder vierte, aus den Filmhochburgen Frankreich und Italien je vier.

Während Fatih Akin («Gegen die Wand») seinen neuen Streifen «Soul Kitchen» an den Lido bringt, tritt Werner Herzog («Fitzcarraldo») als Regisseur des US-Films «Bad Lieutenant: Port of Call New Orleans» in Venedig an. Für Deutschland ist der Kino-Erstling «Women without men» der iranischen Videokünstlerin Shirin Neshat im Wettbewerb, und in zwei weiteren Filmen stecken deutsche Produktionsanteile.

Eröffnet wird das 66. Festival von «Baarìa», dem neuesten Werk des Oscar-Preisträgers Giuseppe Tornatore («Cinema Paradiso») - von dem 53-Jährigen selbst als eine «amüsante Komödie mit großen Lieben, viel Melancholie und zahlreichen Helden» umschrieben. Als Präsident der sechsköpfigen Jury fungiert der taiwanesische Starregisseur Ang Lee, der bereits zwei Goldene Löwen aus der Lagunenstadt nach Hause holte.

Biennale-Präsident Paolo Baratta erfüllt es mit Stolz, dass die USA so stark vertreten sind - und mit Stars wie George Clooney (48) oder Charlize Theron (34) auch Glanz und Glamour nach Venedig bringen: In Cannes habe man beim Festival erklärt, der Streik der Drehbuchautoren habe das US-Kino in eine Krise gestürzt, «doch dem geht es gut, es ist vital.» So unterschiedliche Regisseure wie Herzog und Michael Moore, John Hillcoat, George Romero und Tom Ford stehen für einen starken US-Auftritt. Superstar Clooney ist in dem Streifen «The Men Who Stare at Goats» von Grant Heslov nur außer Konkurrenz zu sehen, was seinen Auftritt am Lido aber wohl kaum schmälern dürfte.

Mit allergrößter Spannung wartet Venedig auf Michael Moore. Der sperrige Regisseur, der in dunkler US-Zeit unter Präsident George W. Bush in Cannes für «Fahrenheit 9/11» die Goldene Palme einheimste, schickt in der Nach-Bush-Ära «Capitalism: A Love Story» ins Rennen. Sein Dokumentarstreifen stellt die USA in Zeiten der tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Prüfstand: «Es gibt von allem etwas: Luxus, Leidenschaft, Romantik und den Verlust von täglich 14 000 Arbeitsplätzen», gibt der streitbare und umstrittene Moore seine Richtung vor. Dass Moore und auch Fatih Akin, die sonst ihre Filme auf anderen Festivals an den Start gehen lassen, diesmal für Venedig optieren, zeigt für Müller «den internationalen Rang des Festivals».

Es geht im Venedig-Jahrgang 2009 unter anderem um Geschichte und Vergangenheit, politisch wie privat, ausgelotet von Altmeistern wie den Franzosen Jacques Rivette und Patrice Chéreau, jedoch auch von Newcomern wie dem Ex-Gucci-Designer Tom Ford («A Single Man»). Wie seit Jahren musste sich der künstlerische Festivalleiter schon vorab gegen Kritik verwahren. «Wir sind keine Provinzler, man sehe sich nur die US-Präsenz an», meint er zu dem auffallend starken italienischen Akzent - alles in allem 16 Filme, 7 davon in der Reihe «Controcampo». In Venedig seien 32 Länder vertreten, und gerade die amerikanischen und europäischen Regisseure hätten in Zeiten weltweiter Krisen nicht ihren Kopf in den Sand gesteckt, sondern ergründeten «den Zeitgeist».

Also will Marco Müller, im fünften Jahr in Venedig am Ruder, den Ruf des Festivals als Plattform für schwierige Filme festigen - und auch für solche, die kreativ auf die Krise antworten. Vier Streifen aus Asien sind noch im Wettbewerb, der 24. Bewerber um den Goldenen Löwen soll als Überraschungsfilm erst während des Festivals genannt werden. Der Ehrenlöwe für das Lebenswerk geht in diesem Jahr an den innovativen amerikanischen Trickfilmregisseur John Lasseter («Toy Story») und an seine Kollegen von Disneys Pixar Animations Studios. Einen Sonderpreis des ältesten Filmfestivals der Welt erhält «Rocky» Sylvester Stallone. Und wie häufig könnte ein Streifen, der nicht im Wettbewerb steht, zu den besten in Venedig gehören - am Lido wartet man gespannt auf «The Informant!» des Amerikaners Steven Soderbergh.