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Film Film: Lachen und weinen über «Good bye, Lenin!»

27.02.2003, 13:03
Autos fahren am Kino International an der Karl-Marx-Allee in Berlin vorbei, in dem gerade der Film "Good Bye, Lenin!" gespielt wird. Dem Regisseur Wolfgang Becker ist mit seinem Film über die Wiedervereinigung ein spektakulärer Erfolg gelungen. (Foto: dpa)
Autos fahren am Kino International an der Karl-Marx-Allee in Berlin vorbei, in dem gerade der Film "Good Bye, Lenin!" gespielt wird. Dem Regisseur Wolfgang Becker ist mit seinem Film über die Wiedervereinigung ein spektakulärer Erfolg gelungen. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa - Der spektakuläre Erfolg des Films «Good Bye, Lenin!» von Wolfgang Becker vereint Deutschland im Lachen und Weinen über den Fall der Mauer. Aber er hat auch noch einen anderen staunenswerten Effekt - nicht nur deutscher Kino-Klamauk wie der «Schuh des Manitu» verkauft sich gut ins Ausland. Diese zwei Seiten der «Lenin»-Medaille kommen auch im Internet-Forum zum Film zum Ausdruck, abgesehen von den bisherigen Rekord-Besucherzahlen an den deutschen Kino-Kassen in Ost und West - 1,3 Millionen seit seinem Start am 13. Februar. Und die eingesetzten Kopien werden wöchentlich erhöht.

«Deutschland hat darauf gewartet!» schreiben Kommentatoren. Manche sprechen schon vom «deutschen Film des Jahres 2003». «Ich habe gelacht, ich habe geweint, danke für diesen Film», schreibt da ein Mario. Und ein anderer begeisterter Zuschauer meint: «Ich bin ein Hollywood-verwöhnter Kino-Glotzer, aber dieser Film ist absolute Megaspitzenklasse.» Ein Sebastian schreibt: «Der deutsche Film kommt und mein Herz hüpft! Nie habe ich eine im Grunde so ernste Story mit so viel subtilem Humor gesehen.» Nicht nur im Osten Deutschlands trifft der Film offenbar ins Schwarze, selbst vor der holländischen Grenze wollen ihn viele sehen. «Endlich ist der Wende-Film da», heißt es.

Kinos in Hamburg, Köln, München und Frankfurt am Main sind bis auf den letzten Platz gefüllt, im Osten sowieso. Die Kinokette UCI mit Sitz in Bochum berichtet von «eindeutig höheren Besucherzahlen» im Osten, die Cinemaxx-AG spricht von Zuschauerzahlen, die im Osten um eine «Nuance» höher seien. «Ich habe den Film im Osten gesehen und nach all den Lachattacken während des Films war es nach dem Show-Down auffällig still beim nach Hause gehen...» meinte ein Zuschauer.

In Kritiken, von denen manche nach der Berlinale-Premiere dem Film auch dramaturgische Schwächen ankreideten, ist von einem «gesamtdeutschen Geflüster» im Zuschauerraum die Rede. Keiner lacht mehr über die anderen, es wird gemeinsam gelacht und auch mal eine Träne verdrückt. Für manche ist es ein ungemütlicher Film, weil er sich bewusst nicht zwischen Komödie und Tragödie entscheidet, und erzielt offenbar genau damit seinen überraschenden Erfolg. Ein Film über Lebenslügen eben, egal wo, die ja oft auch ziemlich lachhafte Züge haben können bis zum umvermeidlichen Absturz.

Die DDR also als «Land des Lächelns», verlorene Heimat und auch als «Absurdistan» mit kafkaesken Zügen und prügelnden Volkspolizisten. Am Ende des Films wird dieses Land in grotesker Umkehrung der Geschichte von flüchtenden Wessis gestürmt - das geht weit über Leander Haußmanns «Sonnenallee»-Groteske hinaus, die pünktlich zum «50. Jahrestag der DDR» am 7. Oktober 1999 in die Kinos kam und vor allem im Osten Deutschlands ein Erfolg war. «Es wird zu wenig gelacht von den Deutschen über die Deutschen, das Ausland lacht dafür umso mehr über uns», meinte der 1959 in Quedlinburg geborene Haußmann.

«Nach 13 Tagen schon 1,3 Millionen Zuschauer, das überrascht mich total», sagt die Schauspielerin Katrin Saß der dpa, die in dem Film neben Daniel Brühl die Hauptrolle spielt, der aus Sorge um den angeschlagenen Gesundheitszustand seiner Mutter auf 79 qm Wohnzimmerfläche ein Weiterleben der DDR vorgaukelt. «Wahrscheinlich haben wir einfach im richtigen Moment den richtigen Film gemacht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir vor fünf Jahren ähnliche Erfolge gehabt hätten. Die neue Ostalgiewelle ist meiner Meinung nach eine Mischung aus Ironie und Ernst.»

Nach Ansicht von Birgit Gebhardt vom Hamburger «Trendbüro» hat der «Lenin»-Film die Ostalgiewelle nicht ausgelöst, aber «massentauglich» gemacht. Besonders jüngere Menschen und Westdeutsche seien jetzt angesteckt. «Die Leute suchen einen Kontrast zur westlichen standardisierten Welt und hängen sozialistischen Idealen nach.»

Was anderes seien die ironischen Reaktionen auf den Film, wie es sie in vielen ostdeutschen Kinos mit «sozialistischen Filmnächten» und «Zeitreise-Ecken» mit DDR-Vitrinen und Schaustücken gibt. «Wenn man sich FDJ-Hemden anzieht und mit DDR-Fahnen "bewaffnet" ins Kino kommt, ist das natürlich nicht ernst gemeint, hier nimmt man sich selbst und die DDR-Zeiten auf die Schippe», meint man im «Trendbüro».