Film-Geschichte Film-Geschichte: Abscheu und Faszination der Leni Riefenstahl

Nürnberg/dpa. - Mit diesem Film sollte Leni Riefenstahl einHitler-Loblied wie kein anderes schaffen - und aus technischer Sichtdennoch Filmgeschichte schreiben: Vor 75 Jahren bekam die damalsschon weltberühmte Regisseurin und Schauspielerin von den Nazis denAuftrag zu «Triumph des Willens», dem Film über den Nürnberger NSDAP-Reichsparteitag im September 1934. Noch heute gilt vielen das Werkals verabscheuungswürdiges Dokument des fast schon religiösenFührerkults und wird gleichzeitig als filmtechnisches Meisterstückgelobt.
«Bis heute kommt fast keine NS-Dokumentation ohne Bilder ausdiesem Film aus», sagt Wissenschaftler Eckart Dietzfelbinger vomNürnberger Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände. Die Machtder Bilder von «Triumph des Willens» war schon den alliiertenSiegermächten nicht geheuer, 1945 verboten sie den Film inDeutschland. Mittlerweile darf er in kommentierter Fassung gezeigtwerden. In Nürnberg gibt es regelmäßig Vorführungen. «Die Stimmungdes Films treibt die Leute bis heute zum Weinen. Vor allem ältereZuschauer bekommen noch feuchte Augen», berichtet Dietzfelbinger.
Die Filmbilder haben allerdings mit der Realität wenig zu tun,auch wenn Riefenstahl selbst anderes behauptete. Bis zu ihrem Tod2003 hatte sie sich immer wieder gerechtfertigt, sie habe nur dasdokumentiert, was dagewesen sei. Auf keinen Fall habe sie Hitlerüberhöhen wollen. Auf tausenden Seiten haben Wissenschaftler auf derganzen Welt das Gegenteil bewiesen: Die Chronologie des realenParteitages wurde für den Film völlig durcheinandergebracht,Aufmarschszenen stilisiert, unpassende Bilder etwa über dieTrinkgelage und die Volksfeststimmung am Rande des von MillionenMenschen besuchten Treffens einfach ignoriert. «Nicht einmal dasWetter stimmt», sagt Dietzfelbinger. «Die Regenszenen wurden einfachweggelassen.»
Stattdessen ist der Film vollkommen durchkomponiert - Hitler wirddurch unzählige technische Kniffe zum Messias erhöht, der sein Volkscheinbar erlöst und eine leuchtende Zukunft verspricht. Aufmärscheoder eine Gedenkfeier für gefallene Soldaten werden auf der Leinwandzu quasi-religiösen Ritualen. «Riefenstahl war eine absolutePerfektionistin», erklärt Dietzfelbinger. Von Hitler bekam sie alles,um ihre Film- und Karriereträume wahr zu machen: Unmengen an Geld undein Team von 170 Leuten, darunter 16 der damals besten Kameramänner.
Mit ihnen realisierte sie revolutionäre Ideen: Mit einem Kran fuhrsie einen Fahnenmast hoch, um die Massen von oben zu filmen. Überallin der Stadt wurden Schienen für Kamerafahrten verlegt; dieberühmteste ist eine Rundfahrt um Hitler, die ihn wie eine lebendeStatue aussehen lässt. Ungewöhnliche Perspektiven und bombastischeMusik taten das Übrige - Riefenstahl zielte auf das Unterbewusstseinihrer Zuschauer.
«Die Aufmärsche waren eine stinklangweilige Angelegenheit vonmehreren Stunden», erklärt Dietzfelbinger. Auf der Leinwand sah dasdann allerdings anders aus. «Der Film war ein Mega-Hit schlechthin.Er galt damals als einer der zehn besten Filme der Welt.» So wurde erkurz nach der Premiere im März 1935 auch im Ausland gefeiert und mitPreisen überschüttet. Noch heute rühmen Cineasten seine Ästhetik.
In Deutschland wurde «Triumph des Willens» zu einem derwichtigsten Propagandafilme für die Nazis. Sie nutzten das Werk ganznach ihrer eigenen Film- und Medientheorie, um die Massen mitzureißenund anzustacheln. Schulklassen wurden zum Ansehen verpflichtet. «DieNazis haben die Sehnsucht der Menschen nach einer heilen Welt undeiner Gemeinschaft perfekt bedient», erklärt Dietzfelbinger Wirkungund Erfolg des Films.
Die Nazis zielten auf die Emotionen der Menschen - das NürnbergerReichsparteitagsgelände bot die ideale Kulisse dafür. «Das ist eineÜberwältigungs- und Einschüchterungsarchitektur», sagt SiegfriedZelnhefer von der Stadt Nürnberg.
Streit gibt es darum, ob immer noch ein Risiko von der Hitler-Idealisierung ausgeht und ob der Film nach wie vor gefährlicheEmotionen auslöst. Dietzfelbinger vertritt die These, dass der Filmseine Anziehungskraft für jüngere Menschen verloren hat: «DerZeitgeist ist zum Glück nicht mehr derselbe. Wir sind keinemilitarisierte Gesellschaft. Wir haben keinen Wunsch nach dem einenErlöser. Die Jungen langweilen sich total, wenn sie den Film sehen.»Auch die Neonazi-Szene bediene sich heute ganz anderer Mittel, etwades Internets. «Die Neonazis rekurieren darauf nicht. Da hat auchkeiner 'Mein Kampf' gelesen - das wäre ja viel zu anstrengend.»