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Film «Gegen die Wand» als Oper uraufgeführt

Von Stephanie Lettgen 02.12.2008, 13:57

Bremen/dpa. - Einen preisgekrönten Kinofilm auf eine Opernbühne zu bringen, ist ein Risiko. Der Komponist Ludger Vollmer hat es nicht gescheut - die Inszenierung «Gegen die Wand» wurde im Theater Bremen uraufgeführt.

Eine bloße Kopie des Erfolgsstreifens des deutsch-türkischen Regisseurs Fatih Akin von 2004 ist die Bühnenversion nicht. Die dreistündige Aufführung schafft mit den Mitteln der Oper eine eigene Interpretation des dramatischen Stoffes. Dessen Energie und Brutalität werden vor allem über die emotionsgeladene, aufwühlende Musik transportiert. Mit lautem Beifall und Fußtrampeln feierte das Premierenpublikum im Neuen Schauspielhaus die überzeugende Darbietung.

Im Mittelpunkt der Liebesgeschichte steht das ungleiche Paar Sibel (Sirin Kilic) und Cahit (Levent Bakirci). Beide haben bei ihrer ersten Begegnung gerade einen Selbstmordversuch hinter sich. Die junge Frau überredet den viel älteren Mann zu einer Scheinehe, um endlich frei zu sein von ihrer traditionell geprägten Familie und ein modernes Leben führen zu können. Doch schon bald entsteht eine zarte Beziehung zwischen den beiden. Die lebenshungrige Sibel will aber nicht auf ihre neuen Freiheiten verzichten.

«Verlieb Dich nicht in mich!», singt Sibel warnend in einer Discoszene, als sie mit Cahit tanzt. Lichtblitze erhellen die dunkle Bühne, immer temporeicher und schriller wird die Musik, immer schneller bewegt sich das Paar. Ein schönes Bild für die nicht aufzuhaltenden Gefühle, die von Sibel und Cahit Besitz ergreifen.

Regisseur Michael Sturm benutzt nur wenige Requisiten, die die Orte des Geschehens symbolisieren. Etwa wenn Cahit, in sich zusammengesunken auf dem Boden hockend, Steine in einem Kreis um sich legt. Er sitzt für mehrere Jahre im Gefängnis, weil er im Affekt einen Sibel demütigenden Ex-Liebhaber getötet hat. Nach seiner Entlassung reist er nach Istanbul, um Sibel wiederzufinden. Sie ist inzwischen mit einem anderen Mann verheiratet und hat ein Kind. Ob sie ihre Familie für Cahit verlassen wird, bleibt am Ende offen.

Mit der aufrüttelnden Opernmusik hat Vollmer einen ganz speziellen Sound geschaffen. Türkische Musiker spielen dabei auf Instrumenten wie Saz und Kaval gemeinsam mit den Bremer Philharmonikern. Dieser gelungene Einfall lässt eine rhythmische Melodik von großer Intensität entstehen. Für sein Werk ist der Komponist extra nach Istanbul gereist und hat sich in türkischer Musik ausbilden lassen. Seiner Ansicht nach hat die Geschichte «die Wucht eines antiken Dramas». Es gehe um «sein Lebensthema», die Suche des Menschen nach Identität.

Gesanglich und schauspielerisch überzeugen können neben den Protagonisten vor allem Martina Parkes als Sibels Cousine Selma und Can Tufan in der Rolle des Bruders. Gesungen wird in deutscher und türkischer Sprache, eine schriftliche Übersetzung läuft parallel im Hintergrund.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist das Libretto, wenn die knallharte Sprache des Films übernommen und melodisch von einem Basssänger oder einer Mezzosopranistin vorgetragen wird. «Halt die Schnauze» ist dabei noch eine der harmloseren Varianten. Gleichzeitig sind es auch diese Kontraste, die die Opernfassung so eindrucksvoll machen.

www.theater-bremen.de