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Familienkomödie Familienkomödie: Kinostart 01. Mai: «Igby»

Von Kerstin Nacken 27.04.2003, 16:32
Der junge Jason «Igby» Slocumb jr. (Kieran Culkin) liegt mit der hübschen Sookie Sapperstein (Claire Danes) im Bett. (Foto: dpa)
Der junge Jason «Igby» Slocumb jr. (Kieran Culkin) liegt mit der hübschen Sookie Sapperstein (Claire Danes) im Bett. (Foto: dpa) Solo film

Hamburg/dpa. - Eine Welt, inder Männer ihre Geliebten und Ehefrauen auf dieselbe Party mitnehmen,in der Scheckbuch und Psychotherapie als erzieherisches Mittelgelten, in der materieller Überfluss und emotionaler Notstandherrschen. Igbys Vater Jason (Bill Pullman) erholt sich in derPsychiatrie von diesem Leben. Seine Mutter Mimi (Susan Sarandon)versucht, es sich mit Pillen vom Hals zu halten. Und Igby spürt, dasser fort muss.

Seine Flucht führt ihn nach New York, in die Welt der Künstler undBohemiens. Er wird von der heroinabhängigen Geliebten seinesPatenonkels verführt und arbeitet als Drogenkurier. Igby ist auf derSuche nach dem wahren Leben, nach echten Gefühlen. Er findet sie inder Romanze mit der jungen unkonventionellen Jüdin Sookie (ClaireDanes), einer ersten großen - wenn auch kurzen - Liebe.

Traurige Geschichten erzählt man am besten mit Humor. Regisseurund Autor Burr Steers liefert mit seinem Leinwanddebüt eine beißendeSozialsatire, eine Milieustudie in der Tradition von J. D. SalingersEntwicklungsroman «Der Fänger im Roggen». In «Igby» karikiert er dasOberklassen-Amerika mit all seinen Insignien: Der Tomatensaft mitSelleriestäbchen und der protzige Siegelring gehören ebenso dazu wieder Drill an Eliteschulen, die Oberflächlichkeit und unendlicheEinsamkeit der versnobten Elite. Steers Erstlingswerk ist eineschwarze Komödie. Der Humor seiner Protagonisten ähnelt dabei dem vonSoldaten im Schützengraben: Er ist grob, grausam, ätzend. DieErwachsenen in Igbys Umfeld haben sich aufgegeben. Sie sinddesillusioniert, zu Tode gelangweilt und zu keiner echten Emotionfähig.

Niemand verkörpert diese Misere überzeugender als Susan Sarandon,die im vergangenen Jahr mit «Igby», «Moonlight Mile» und «GroupiesForever» gleich drei Filme abdrehte. In «Igby» brilliert sie alsüberspannte, scharfzüngige Matriarchin Mimi. Sarandon schafft es,hinter der Fassade von Zynismus und Grausamkeit auch die Enttäuschungeiner todkranken und einsamen Frau sichtbar zu machen. Neben ihr istes vor allem Hauptdarsteller Kieran Culkin («Gottes Werk & TeufelsBeitrag»), der brilliert. Igbys Sensibilität und Gefühlsverwirrunglässt der Jungschauspieler immer wieder gekonnt hinter einerschnodderigen, manchmal fast unerträglich altklugen Fassadehervorblitzen.

Culkins Spiel bringt die Kluft zwischen dem jungen Rebellen undseiner Familie ans Licht - Szene für Szene: Igbys Patenonkel D.H.(Jeff Goldblum) meint eines Abends, Versager seien lediglichHinweisschilder, eine Warnung am Rande des eigenen Wegs. «Dem Wegwohin?», fragt Igby. «Zum Erfolg», erwidert D.H. Diese Definitionseines Onkels von Erfolg hat der aufmüpfige Teenager ständig vorAugen. Sein großer Bruder Oliver (Ryan Phillippe) geht den ihmvorgezeichneten Weg: Elite-Uni, Designersakko, Karriere, Geld. Werte,die der Jüngere als oberflächlich und sinnentleert ablehnt.

Igbys Rebellion ist keine ungerichtete, diffuse Wut - sie basiertauf einer klaren Analyse seiner Umwelt. In einer der stärksten Szenendes Films warnt er Sookie, die unterdessen mit Oliver anbändelt,inständig vor diesem Milieu: Vor der Arroganz, der Intoleranz, dememotionalen Vakuum. «Ich kann dich nicht hassen», sagt Oliver kurzdarauf zu Igby. Und als sich die Brüder gegen Ende des Films zumersten Mal umarmen, zerbricht ein Glas.