Extra Extra: Udo Jürgens ist da - und Löbejün steht Kopf
Löbejün/MZ. - Das Städtchen, in dem dereinst ein romantischer Liederkomponist geboren worden war, ist in heller Aufregung: Udo Jürgens kommt!
Auffällig unauffällig bewachen die Leute von der Sicherheit das Historische Stadtgut. Die mit Schwungschrift, seitenverkehrtem Komponistenporträt und Originalunterschriften versehenen Tickets - eine Wucht. Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) gibt vor der Tür Interviews. Drinnen frische Blumen überall, sogar auf den Toiletten. Der Präsident der österreichischen und jener der japanischen Carl-Loewe-Gesellschaft sind da, Bürgermeister Thomas Madl verspricht "drei tolle Tage". Über allem schweift der Blick des Balladenmeisters aus goldgerahmtem Gemälde in die Ferne.
Zunächst wird Cord Garben geehrt: 21 CDs mit dem Vokalwerk Carl Loewes hat der Pianist eingespielt, weitere sind in Arbeit. Den Sängern dankt er, welche die Schwierigkeiten des unbekannten Repertoires nicht selten unterschätzt hätten. Jetzt aber: Auftritt Udo Jürgens! Im Schlepptau laufen der Landesvater, Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz und die Honoratioren von Löbejün ein. Blitzlichtgewitter, Applaus, alles steht. Böhmer dankt mit für Fleiß, Enthusiasmus und Engagement. Auch die Romantik, sagt er, sei eine Periode, "in der wir aus Sachsen-Anhalt einiges eingebracht haben."
Peter Wicke beschwört in einem Festvortrag das Singen als "kostbare gesellschaftliche Ressource". Hermann Rauhe, der Laudator, attestiert dem Ehrengast Udo Jürgens: "Sie werden immer frischer!" Das ist selbst Udo Jürgens zuviel des Lobes. Ein großer Tag sei dies für ihn, sagt er, "ich glaube, ich tauche in ein Märchen ein". Er verweist auf die Landschaft, deren Schlichtheit zur Bescheidenheit aufrufe. Welche er umgehend demonstriert, indem er den Vergleich mit Carl Loewe abwehrt. Bescheiden fällt auch sein musikalischer Dank aus. Den "Traumtänzer" spielt er ganz, "Merci Cherie" halb. Gleichwohl: Der Sänger, hier ohne Glasflügel und Bademantel, seine ernste Zurückhaltung, seine Emotionalität und seine augenscheinliche Aura schenken dem Abend ein besonderes Format. Als Udo Jürgens noch immer Autogramme kritzelt und in Mikrofone spricht, ist die Limousine des Ministerpräsidenten längst vom Hof gerollt.
Was bleibt? Kunst. In dem jungen Pianisten Soohong Park, der fantastisches musikantisches Gespür zeigte, könnte ein neuer Lang Lang stecken. Wie subtil gestalteten Cord Garben und Mezzosopranistin Uta Christina Georg den Lieder-zyklus "Frauenliebe und -leben"! Birgitta Wollenweber trug mit Charme und Witz Pianowerke von Carl Loewe vor, der zwischen Beethoven, Burgmüller und Brahms seinen Stil als Klavierkomponist nicht gefunden hatte. Wonach Simone Weißenfels aufmüpfig über Loewe-Balladen improvisierte.
Was noch? Der berechtigte Stolz der Löbejüner, ihr Städtchen und ihr Anliegen dem Interesse einer illustren Künstlerschar und enormer medialer Aufmerksamkeit versichert zu haben. Die Neugier, welchem Prominenten beim nächsten Mal die Ehre des Vergleichs angetragen werde. Und die verblüffende Wendung eines Referats: Lieder, erkannte Peter Wicke, sind zum Singen da.