Extra Extra: Jizchak Katzenelson «Dos lied vunem ojsgehargetn jidischn volk»
Hagalil. - Der Dichter Jizchak Katzenelson, geb. 1886 nahe Minsk, schrieb seinen Großen Gesang in einem Sonder-KZ in Vittel, nachdem er selbst im Warschauer Ghetto-Aufstand mitgekämpft hatte und sich retten konnte. Er wurde am 1. Mai 1944 in Auschwitz ermordet.
Jizchak Katzenelson
Dos lied vunem ojsgehargetn jidischn volk
weh mir, nito nit kejner schojn... gewen a volk, gewen, un schojn nito... gewen a volk, gewen, un schojn... schojn ojs! a meissele asa, es hejbt vun chumeschl sich on un bis, bis jetzt... a meissele gor trojerik, wer sogt as schejn? a meisse vun Amolekn un bis an ergeren vun ihm, dem deitsch... o himl weit, o breit die erd, o jamim groiss – nit balt zusamen in eijn knojdl sich un nit varnicht die schlechte ojf der erd, soln sej varnichtn sich alejn!
Weh mir, da ist nicht keiner mehr... Und war mal’n Volk. Vorbei!
Und ausgelöscht... Ein ganzes Volk Uns gibt es nun nicht mehr
Verflucht, was für’n Geschichtchen! Mit ’nem Bibelchen begann’s
Von Moses steht’s geschrieben – schönes Märchen, traurig, aber wahr –
Vom Kampf am Sinai mit Amalek bis hin zu unserm ärgsten Feind.
Dem Deutschen. Gott! O weite Himmel, breite Erde, o gewaltig Meer
Vernichtet all die Schlechten... nicht auf dieser Erde! Laßt sie machen, denn
Sie selber werden sich vernichten. Alle. Und für immer dar.
Großer Gesang vom ausgerotteten jüdischen Volk Aus dem Jiddischen übertragen von Wolf Biermann (Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1994, S. 164-167)