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Erotischer Tanz Erotischer Tanz: «Burlesque» - Schillernde Phantasien

Von BARBARA BREUER 04.02.2011, 18:19

Halle (Saale)/MZ. - In Netzstrümpfen und hochhackigen Schuhen stehen die Frauen in einer versetzen Zweierreihe nebeneinander. Zur 50er-Jahre-Musik ahmen sie die große Blonde vor ihnen nach. Die nennt sich Lady Lou, ist Trainerin und geht gerade leicht in die Hocke. Ihre Hände bedecken die Knie. Jetzt reckt die 32-Jährige ihren Po weit nach hinten, streckt den Oberkörper in die Höhe und lässt die Arme elegant folgen. "Come on, Ladys", feuert die gebürtige Neuseeländerin ihre sechs Elevinnen an. Die gehen in Positur und stoßen dabei kleine Ächzer aus - sexy Posen gehen eben ganz schön in die Oberschenkel!

Früher nannten sich die Tänzerinnen Bettie Page, Mae West und Dixie Evans. Heute heißen sie Tina, Beate oder Anne. Immer mehr Frauen aus Berlin und ganz Deutschland wollen mehr sein als nur Akademikerinnen, Studentinnen oder Mütter. Im "Schönheitsstudio Berlin", dem ersten seiner Art in der Hauptstadt, lassen sie sich in die Kunst der Burlesque einführen. Frauen, meist zwischen 25 und 50 Jahre alt, lernen hier, sich sexy zu bewegen. Auch Kurse im Stangentanz, dem "Pole Dance", Schönheitsdehnung, Exotic Dance und Burlesque-Styling bieten die sechs Trainerinnen an.

"Meine Schwägerin lebt in Kanada. Dort ist es völlig normal, dass Frauen in Kursen sinnliches Bewegen trainieren", sagt Studio-Betreiberin Agatha Lattka. Die Studienrätin hat früher selbst an der Stange getanzt. Vor drei Jahren gründete sie das Studio. "Zurzeit ist die Nachfrage durch den Musikfilm ,Burlesque' sehr groß", erzählt die 33-Jährige. Im Film zeige Christina Aguilera eigentlich das, was diese Bewegungsform nicht ausmacht. Die Schauspielerin und Sängerin verkörpere den makellosen Star. Doch Trainerin Lady Lou weiß: "Das Wundervolle an der Burlesque ist, dass sie Frauen in allen Formen und Größen akzeptiert, ja diese ausdrücklich erwünscht sind!" Im Hollywood-Film aber agieren nur die Schönen und Schlanken.

Den Film hat die 40-jährige Tina (Name geändert) aus der Hauptstadt noch nicht gesehen. Animiert, beim Schnupperkurs im Tanzstudio in Berlin-Mitte mitzumachen, wurde die Anwältin durch die Burlesque-Show "Black Flamingo" im Wintergarten-Varieté. Tina war fasziniert von den sportlich-akrobatischen Darbietungen der Frauen, die nicht alle Gardemaß hatten, erzählt die Berlinerin und fügt an: "Ich bin heute hier dabei, weil ich es witzig finde."

Die kurvige Tina hat ihre zierliche Freundin Beate, eine dreifache Mutter und Hausfrau aus Brandenburg ins Studio "Schönheitstanz Berlin" mitgebracht. Auch Anne, eine Studentin, die in ihrer Freizeit unter dem Namen "Anne, die Gute" für Pin-up-Kalender posiert, ist heute gekommen. Sie möchte sich endlich auch in den Stöckelschuhen bewegen können, die sie bei den Fototerminen meist tragen muss. Die 37-jährige Nina wiederum sucht eine Abwechslung zum Berufsalltag. Den Stangentanz-Kurs hat sie schon ausprobiert, jetzt will sie die Kunst der Burlesque erlernen.

Die "Diva", der "Vamp" und die "Jungfrau" - diese Rollen will Lady Lou ihren Schützlingen in einem vierstündigen Wochenend-Seminar, das 135 Euro kostet, näher bringen. Zuerst steht das Aufwärmen auf dem Programm: Die linke Fußspitze neben der rechten anstellen, das Knie leicht nach innen drehen. Was bei einigen aussieht, als triebe sie der Begrüßungssekt zur Toilette, wirkt bei anderen schon ganz schön sexy. "Move your shoulders", sagt die Trainerin und bewegt abwechselnd nur minimal die rechte und die linke Schulter nach vorne. Die Hüften bleiben dabei fest. "Burlesque hat nur eine Regel: Höschen und paillettenbestickte Brust-Pastys bleiben an", erklärt Lady Lou, die seit ein paar Jahren mit ihren Shows dazu beiträgt, Burlesque in Berlin zu etablieren. Und das mit wachsendem Erfolg. In der Hauptstadt floriert die Szene. Es gibt Läden wie das Atelier "Redcat 7" für Korsetts und andere Burlesque-Utensilien, Modenschauen mit voluminösen Tänzerinnen und natürlich Partys. Zusammen mit ein paar Freundinnen organisiert Lady Lou in losen Abständen auch die "Fete fatale". Regelmäßiger findet der "Salon Kokett" in der CCCP-Bar in Berlin-Mitte statt. Dort kann das Publikum heute und am 19. Februar die Darbietungen von Burlesque-Tänzerinnen wie dem preisgekrönten Nachwuchstalent "Gia LaFae" genießen.

Eine Burlesque-Show verwöhnt die Zuschauer mit schöner Musik, einer unterhaltsamen Geschichte und aufwendiger Kostümierung. "In den ersten drei Reihen stehen meist Frauen", weiß Lady Lou, die eigentlich Emma Aislabie heißt und Bildende Kunst studiert hat, von ihren eigenen Auftritten. "Burlesque ist nicht dazu da, den männlichen Appetit zu bedienen." Vielmehr gehe es darum, dass "ganz normale Frauen, die ihren Körper so mögen, wie er ist, sich in einer Show selbst inszenieren".

Wie unwichtig das Körpervolumen bei Burlesque ist, beweist Lady Lou mit dem Youtube-Video von "Dirty Martini". Diese nicht mehr ganz junge Frau mit den üppigen Rundungen ist eine der angesagtesten New Yorker Burlesque-Tänzerinnen. "Sie hat eine solche Bühnenpräsenz", schwärmt die Trainerin und zeigt den Frauen, wie erotisch allein das Ausziehen eines langen Handschuhs oder das Tätscheln einer Federboa sein kann.

Nach dem Schnupperkurs sind die Elevinnen zufrieden. "Ich fand es toll, mich auf diese Art zu bewegen und meinen Körper zu spüren", sagt Beate, die dreifache Mutter. Sie und Freundin Tina wollen auch die Folgekurse besuchen. Nina leiht sich schnell noch im Tanzstudio eine Federboa aus. Sie will heute Abend zeigen, was sie gelernt hat. Und wem? "Na", sagt sie mit einem kecken Augenzwinkern, "natürlich meiner Mutti."