Ernst Röhl Ernst Röhl: Knast für Sodanns Spötter
Halle/MZ. - Es war etwas faul im Staate DDR, lange vor seinem Abgang. Das weiß jedermann. Wir haben es ja gelesen, in Zeitungen und Büchern. Aber es gibt Momente, da man sich wieder einmal seiner eigenen Trägheit schämt, ihn so ertragen zu haben, diesen Staat: lästernd manchmal, auch zornig. Und kleinmütig. Beim Lesen der Knast-Geschichte von Ernst Röhl, Peter Sodann und Genossen ist dieses Gefühl wieder da, ohne dass der Autor sich um moralische Fingerzeige bemühte.
Vielen Ostdeutschen aus dem "Eulenspiegel" als Satiren-Autor bekannt, hat Röhl einen Bericht aus dem wahren Leben geschrieben, auch in eigener Sache - sarkastisch, gallig, verletzt. Manchmal den Tränen noch nah. "Schwarz ist weiß, Weiß ist schwarz, die Sonne dreht sich um die Erde, und die Partei hat immer recht", schreibt Röhl über ein SED-Tribunal, das ihn zu verstoßen hatte.
So haben die Rituale jahrzehntelang funktioniert, so war es natürlich auch in den Vernehmungen und bei Gericht: Das Ergebnis stand vorher fest. Wut, Trauer und Fassungslosigkeit sprechen aus dem Text, manchmal ist er auch richtig komisch: Aber eben so, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Stein des parteilichen Anstoßes war das Leipziger Studentenkabarett "Rat der Spötter". Das hatte sich in den Augen der Obrigkeit über Nacht von einem angesehenen Ensemble zu einer Bande arglistiger Staatsfeinde verwandelt. Der "Rädelsführer" hieß Peter Sodann, heute Herr über die hallesche Kulturinsel und als "Tatort"-Ermittler in Diensten des MDR.
Röhl steigt in seine Geschichte mit der munteren Westreise des "Rates der Spötter" ein. Ein quickes Häuflein, das gen Marburg steuert, seine Witze leiser als sonst erzählt wegen der Aufpasser, die die Partei mitgeschickt hat und im Übrigen etwas Schiss hat vor dem Auftritt im Westen. Doch siehe: Alles geht gut, siegestrunken kehrt man heim, die weiße Maus (von West-Störern auf die Kommunisten losgelassen) kommt als Trophäe mit.
Wenig später bricht die ganze Herrlichkeit zusammen. Inzwischen ist die Mauer gebaut, die Nerven der Funktionäre liegen blank, die Schrauben werden angezogen. Und Spitzel sind immer bereit. "Wo der Hund begraben liegt" sollte das neue Programm heißen und zur Herbstmesse Premiere haben. Stattdessen werden Sodann und fünf "Mitverschwörer" eingesperrt und monatelang verhört. Als Röhls Sohn im April 1962 geboren wird, erfährt es der Vater zehn Tage später: "Wahrscheinlich aus Gründen der Wachsamkeit. Dieser Sprößling eines Konterrevolutionärs ist bezeichnenderweise mit dem Steiß voran zur Welt gekommen, hat das Licht der Welt sozusagen mit dem Arsch erblickt, diese Handlungsweise erfüllt den Tatbestand der nonverbalen Hetze..." Am Ende bewahrt die Angeklagten ein so genannter Rechtspflege-Erlass von ganz oben vor langjähriger Haft. Bewährung gibt es. Und ein Zeichen fürs Leben.
Ernst Röhl: "Rat der Spötter. Das Kabarett des Peter Sodann", Gustav Kiepenheuer, 2002, 158 Seiten, 15 Euro.
Buchpremiere am 2. November, 20 Uhr, im neuen theater