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Ernst Ortlepp Ernst Ortlepp: Eine Heimkehr ins Saaletal

Von Christian Eger 15.06.2004, 16:44

Schulpforte/MZ. - Seine letzten Lebensjahre verbrachte Ernst Ortlepp, der um 1830 zu den ersten politischen Dichtern Deutschlands gehörte, als ein regionaler Schreckensmann. Ein "Fürst in Lumpen und Loden" sozusagen, der die braven Bewohner des Saaletals zwischen Naumburg und Schulpforte mit "dämonischen" Gesängen und lautstarken, vom Alkohol angefeuerten Selbstansprachen verstörte.

Ortlepp also, Autor freiheitlicher Verse sowie Shakespeare- und Byron-Übersetzer, ernährte sich am Ende seines Lebens von der Bettelei, vom Gelegenheits-Journalismus und dem, was ihm ein Job als "Obstler" einbrachte, der Plantagen in Almrich und Schulpforte zu bewachen hatte. An seinem mutmaßlichen Todestag, den 13. Juni 1864, wurde Ortlepp von dem 19-jährigen Nietzsche angetroffen, der zu dieser Zeit sein Abitur an der Landesschule Pforta ablegte. Nietzsche über diese Begegnung: Ortlepp habe gesagt, "er gienge sich ein Logis im Saalthale zu miethen".

Das tat Ortlepp dann auch - oder nicht? Tatsächlich brach sich der 64-Jährige den Nacken, als er zwischen Almrich und Pforte in einen Chausseegraben stürzte. War es Selbstmord? Oder - was einige Ortleppianer mutmaßen - Mord? Am Morgen danach wurde der Tote auf dem Friedhof von Pforta beigesetzt. Nietzsche: "Vier Arbeiter trugen den rohen Sarg". Ein "Werther"-Zitat als Zusatz: "kein Geistlicher".

Bislang hatte es auch keinen Grabstein gegeben, nicht einmal jenen Gedenkstein, für den Nietzsche und seine Mitschüler 40 Taler gesammelt hatten. Das hat sich nun geändert: Am vorigen Freitag vollzog sich in Schulpforte die "Heimholung" des Ernst Ortlepp - in drei Takten. Eine von dem Steinmetz Christian Späte gestaltete Gedenktafel wurde feierlich enthüllt; für viele der versammelten Dichter-Freunde ein Moment mit Gänsehaut-Faktor. Und nicht genug. In der Klosterkirche öffnete eine Ausstellung von Bildern, die Dieter Goltzsche und Walter Weiße zu Ortlepp gefertigt haben. Ein Auftakt wiederum zum ersten Kolloquium im Namen des Schriftstellers. "Ich dichte fort, bis dieses Leben schwindet" lautete das Motto der ganztägigen Versammlung im Kleinen Festsaal von Pforte.

Es muss einmal gesagt werden: Kein zweiter Autor der Region hat in den vergangenen Jahren eine vergleichbar gehaltvolle Neu-Entdeckung erleben können, von so viel publizistischem und tätigem Elan vorangetrieben; letzterer verdankt sich den Germanisten Roland Rittig und Rüdiger Ziemann sowie dem Philosophen Hermann Josef Schmidt - den 1988 gestorbenen Theologen Reiner Bohley nicht zu vergessen, der überhaupt erst die Spur zurück zu Ortlepp legte.

Das Kolloquium bildete denn auch ein aufgewecktes Fragen und Forschen ab, das den Bogen von Ortlepps "Bildern des Christentums" (Rüdiger Ziemann) bis hin zum gescheiterten Versuch einer Universitäts-Karriere in Leipzig (Gerald Wiemers) verhandelte. Auch an atemberaubend freihändigen Interpretationen im Blick auf Ortlepps Werk und Ende war kein Mangel. Je schärfer man auf dieses so eigenständig tapfere Leben schaut, um so stärker strahlt es zurück.

Bilder zu Ortlepp: bis 31. 8., Klosterkirche Pforte, täglich