Erich Loest Erich Loest: Kanon soll Einblick in DDR-Geschichte geben
Dresden/dpa. - Der Schriftsteller Erich Loest will mit seinem Literaturkanon Einblicke in die DDR-Geschichte ermöglichen. Die Präsenz von Autoren wie Christa Wolf und Jurek Becker in seiner Auswahl repräsentiere eine Epoche, sagte Loest am Dienstagabend zur Vorstellung seines Literaturkanons in Dresden. Er hatte auf Vorschlag der «Dresdner Morgenpost» seine Wahl der besten 20 Romane aus vier Jahrhunderten deutscher Literaturgeschichte getroffen. In den bisherigen Bestenlisten der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Joachim Kaiser waren keine Bücher aus der DDR vertreten.
Die beiden hätten vermutlich nicht den inneren Zugang zur DDR- Literatur wie er, sagte Loest. «Der eine lebt in Frankfurt am Main, der andere in München.» Doch die Bücher dieser Zeit würden viel über die Geschichte erzählen. «Nehmen Sie als Beispiel die Russen: Was wir über deren Historie wissen, kennen wir aus Romanen von Tolstoi bis Dostojewski», sagte der Schriftsteller.
Die Auswahl der 20 Romane sei ihm sehr schwer gefallen. «Dabei hatte ich am Anfang gar keine Lust, es wurde aber recht schnell interessant», sagte der 76-Jährige Autor. Die Aufnahme der Bücher «Nachdenken über Christa T.» von Christa Wolf und «Jakob der Lügner» von Jurek Becker begründete er mit «dem Bleibenden, das sie hinterlassen haben.» Wolf zeige zum Beispiel den Leidensdruck eines feinsinnigen Menschen im DDR-System.
«Mein Kanon ist nur ein Vorschlag, es sind meine besten 20 Romane», sagte Loest. Damit solle nicht kategorisch verbunden werden, «dass diese Bücher jetzt jeder zu lesen habe». Es gefalle ihm nicht, dass die Bestenliste von Reich-Ranicki jetzt als «Kanon» in den Buchhandlungen stehe. Dennoch halte er den Kritiker, mit dem er befreundet sei, für einen Außergewöhnlichen seiner Zunft. «Ich mag ihn, wenn er schreibt. Ich mag ihn weniger, wenn er redet», sagte er.
Der im sächsischen Mittweida aufgewachsene Loest hatte sich als erster Autor in die Kanondebatte eingebracht. Ab 1957 musste Loest in Bautzen eine siebenjährige Haft verbüßen. 1979 trat er aus dem Schriftstellerverband der DDR aus, zwei Jahre später siedelte er in die BRD über. Er ist besonders durch seinen Roman «Nikolaikirche» und die Autobiografie «Durch die Erde ein Riss» bekannt geworden.