«Ein Tempel der Kleinkunst»: «Senftöpfchen» wird 50
Köln/dpa. - Wo Alfred Bioleks erstes Talk-Sofa stand, wo bekannte Kabarettisten wie Lore Lorentz, Dieter Hildebrandt und Brigitte Mira aufgetreten sind, wird an diesem Wochenende Geburtstag gefeiert: Das Kölner Kult-Theater «Senftöpfchen» wird 50 Jahre alt.
«Es ist ein Tempel der Kleinkunst und in Köln eine Institution», sagt Biolek, dessen Karriere als Moderator Mitte der 1970er Jahre im Senftöpfchen begonnen hatte. «Das war für mich genauso wichtig, wie für das Theater.» Als Biolek sich damals bei der Hausherrin vorstellte, habe sie gesagt: «Eine Talkshow wollen sie machen? Ich habe keine Ahnung, was das ist, aber machen sie nur.» Heute, nach einem halben Jahrhundert bringt das Senftöpfchen immer noch erfolgreich Kabarett, Chanson, Comedy und Talk auf die Bühne.
Die «Grand Dame der Kleinkunst», wie Biolek die Prinzipalin des Theaters, Alexandra Kassen, liebevoll nennt, leitet mit 86 Jahren immer noch das Senftöpfchen. Stets piekfein gekleidet und mit einem originellen Hut auf dem rot gefärbten Haar, arbeitet sie Tag für Tag in ihrem Büro auf der Rückseite des Theaters - inmitten hoher Papierberge und herumliegender Requisiten. Sie ist das Herz des Senftöpfchens, seitdem ihr Ehemann Fred, Gründer der Kult-Bühne, 1972 starb. Dreizehn Jahre zuvor hatte er Kölns erste Kabarett-Bühne eröffnet, um den Menschen in der Karneval-Metropole Ironie, Satire und scharfe Zeitkritik näher zu bringen: «Auf uns'rer Bühne standen die Probleme im Dessous», heißt es in seinem Senftöpfchen-Lied.
Über die Jahre war das Senftöpfchen für viele Künstler ein Karriere-Sprungbrett. Das Theater schmückt sich mit einer langen Liste von Entdeckungen, in der sich Namen wie Harald Schmidt, Jürgen von der Lippe, Hape Kerkeling und Lisa Fritz finden. Damals wie heute fördert die Bühne junge, unbekannte Nachwuchskünstler, die alle ihren Senf zu «Politischem und Menschlichem» geben, sagt Alexandra Kassen und ergänzt: «Das politische Kabarett war früher parteipolitischer. Es gab echte Politikerköpfe, Strauß, Wehner, Schmidt, das waren Charaktere, die den Kabarettisten viel Stoff boten. Heute geht es oft viel allgemeiner um gesellschaftliche Themen.» Das sei aber in Ordnung. «Man muss immer offen sein für neue Impulse.»
In dem kleinen Theater in der Kölner Altstadt, gleich um die Ecke vom Dom, können bis zu 170 Gäste bei einem Glas Wein an den runden Marmortischen sitzen und bunte Abende genießen: «Ein guter Künstler bringt das Publikum im richtigen Moment zum Lachen, zum Weinen oder auch mal dazu, einfach still in sich gekehrt zu sein», sagt Kassen. Er müsse eben ein bisschen an ihrem Weltbild rüttlen. «Pappnasen», so die Hausherrin, kommen ihr nicht auf die Bühne. Außerdem sei Nuscheln strengstens verboten. Als Teenager, so gesteht sie, wollte sie selbst einmal auf die Bühne. Heute nicht mehr. Eine starke Frau werde auch hinter dem Vorhang gebraucht, «derrière le rideau», sagt Kassen.
Was sich das Senftöpfchen für die kommenden 50 Jahre vorgenommen hat, präsentiert es stolz im aktuellen Programmheft: «Den Biss behalten mit den ersten, zweiten und dritten Zähnen.» Zur Jubiläums-Benefiz im Kölner Opernhaus am Sonntag kommt auch Biolek: «Ich müsste schon die Pest haben, um nicht dabei zu sein. Das Senftöpfchen ist ein Stück von mir», sagt der Vorsitzende des Fördervereins für das Theater.