Dresdner Frauenkirche Dresdner Frauenkirche: Orgelstreit als Grabenkrieg
Dresden/MZ. - Eine neue Orgel soll her, das ist klar. DieFrage ist nur: Was soll es für eine sein?Ein Nachbau des Instruments von Meister GottfriedSilbermann aus dem Jahr 1736, auf dem einstBach spielte? Oder besser eine modernere Version,die lediglich Elemente der barocken Orgelbeinhaltet? Während die Beteiligten nichtmüde werden, den Wiederaufbau der Kirche alsBeitrag der Versöhnung zu würdigen, habensie sich in punkto Orgel mächtig in die Haaregekriegt. Eigentlich war die Sache bereitsentschieden. Als der Wiederaufbau startete,waren sich die Akteure einig, die alte Orgelnach bestem Wissen zu rekonstruieren.
Die Stiftung des Berliner Multimillionärsund Kunstmäzens Peter Dussmann sagte 1,5 MillionenEuro zu. Dann kam alles ein wenig anders.Denn die von der Stiftung Frauenkirche eingesetzteOrgelkommission sprach sich für eine "vorsichtigerweiterte" Orgel im Geiste Silbermanns aus,einen Neubau mit mehr Registern als das Original1736 aufwies, aber weniger, als das mehrfachumgebaute Instrument zum Zeitpunkt der Zerstörung1945 hatte.
In Dresden begann daraufhin eine Schlammschlacht.Befürworter und Kritiker eines originalgetreuenNachbaus fielen übereinander her und schrecktenin den letzten Wochen auch vor diffamierendenÄußerungen nicht zurück. Stifter Dussmann,der eine modifizierte Orgel zunächst mitgetragenhatte, zog schließlich im Februar sogar seineSpendenzusage zurück. Besonders wütend hatihn offenbar gemacht, dass nicht (wie vonihm gewünscht) ein sächsischer Orgelbauer,sondern eine französische Firma zum Zuge kommensollte.
Dussmann schäumte und warf dem Stiftungsratvor, er wolle eine "aufgeblasene Monsterorgel"bauen lassen. Auf die Barrikaden ging auchNobelpreisträger Günter Blobel, der ursprünglicheinen großen Teil seines Preisgeldes für dieFrauenkirche geben wollte, nun aber seineTaschen zuhält. Startrompeter Ludwig Güttler,der den Wiederaufbau der Kirche vor Jahrenmaßgeblich mit in Gang gebracht hatte, gifteteseinerseits zurück und bezeichnete die Silbermann-Anhängerin einer Lokalzeitung als "Orgel-Mafia". Erbezweifelt, dass die alte Silbermann-Orgelüberhaupt nachgebaut werden kann.
Seine Kritiker werfen ihm vor, er wolle nurdeswegen ein moderneres Instrument, weil diesbesser zu seinem Repertoire passe. Zudem wurdeder Vorwurf laut, er habe bei Benefizkonzertenin die eigene Tasche gewirtschaftet. Der Trompeterwies all dies erzürnt zurück.
Das peinliche Gezerre um die Orgel scheintgut geeignet, dem Wiederaufbau-Projekt insgesamtzu schaden. Zahlreiche Spender sollen bereitsbesorgt angefragt haben, was das alles zubedeuten habe. Wohl aus Angst, noch mehr Porzellanzu zerschlagen, haben sich die Beteiligtennun noch einmal an einen Tisch gesetzt undsich nach stundenlangen Gesprächen zum Kompromissdurchgerungen.
Danach soll die Orgel weniger Register alszuletzt geplant erhalten und in Sachsen gebautwerden. Allerdings soll sie im Gegensatzzum Silbermann-Original so erweitert werden,dass auch Werke von Komponisten der Romantikbis zur Gegenwart gespielt werden können.Wie genau das Instrument beschaffen sein soll,ist indes noch immer nicht klar. Bislang nichtinvolvierte Musikexperten sollen die Detailfragenklären helfen. In einem halben Jahr soll dasneue Konzept auf dem Tisch liegen.