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Dokumentarfilm von Mario Schneider Dokumentarfilm von Mario Schneider: Die Söhne des Dorfes

Von Marlene Köhler 24.02.2005, 17:39

Halle/MZ. - "Helbra" ist ausverkauft. Nichts geht mehr am Mittwochabend im Kino "Lux" am halleschen Zoo. Erstaunlich, handelt es sich doch um die Premiere eines Dokumentarfilms. Noch dazu die eines Filmdebütanten.

Mario Schneider ist von Hause aus studierter Filmkomponist. Mit "Helbra" legt er seinen ersten Film vor, produziert in der eigenen Zwei-Mann-Firma "42film" in der halleschen Geiststraße. Schneider kennt sich aus. Er wurde vor 35 Jahren in Helbra geboren, dem 5 000-Seelen-Ort im Mansfeldischen, der von der Hütte lebte. 1990 wurde der "Lange Heinrich" gesprengt, die Hütte geschlossen, die Kumpels nahmen ihren Hut. So beginnt der Film, aber das ist nur der Prolog. Nicht der Verfall eines Ortes soll dokumentiert werden, sondern die Geschichte dreier junger Männer, die mit den Folgen der Wende nicht zurecht kamen und neuen Verlockungen erlagen.

Der Film, gedreht 2002 / 03, zeigt keine Abläufe, keine Anfänge. Er reflektiert über eine Zeit, in der drei junge Menschen und ihre Familien vor eine Zerreißprobe gestellt wurden. Der Zuschauer kann sich die Situation vorstellen: Husen, Michael und Markus sind drei kluge Jungs. Die Schule ist zu Ende, eine Lehre nicht in Sicht. Seit Ewigkeiten befreundet, hängt man gemeinsam rum, probiert manches aus. Eines Tages auch Heroin. Irgendwann wird das böse Wort zur Gewissheit: drogenabhängig. Der Film erzählt nun abwechselnd aus Sicht der Freunde und der Eltern von Husen und Michael, wie sie die Jahre der Sucht erlebt haben. Er erzählt vom Kreislauf Beschaffung, Schuss setzen, Wonne, Abtauchen, Katzenjammer, Lügen, Angst, Entzugserscheinungen, Familienstreit, Therapie und Rückfall.

Markus, während der Dreharbeiten noch auf Droge, spricht für sich allein. Von seiner Angst, noch nicht genug weit unten zu sein; es nach einer Therapie nicht zu schaffen. Die Kamera zeigt ihn während der Spaziergänge mit dem Hund, während seiner Fahrten zum "Stoff" am halleschen Hauptbahnhof. Mario Schneider filmt endlose Straßen in stets neuem Licht, findet Bilder einsamer Haldenlandschaften zwischen Tristesse und Idylle.

Der Stimmungswechsel zieht sich durch den Streifen und entlockt dem Zuschauer Gefühlswogen zwischen Betroffenheit, Freude (es gibt skurrile Situationen, in denen man mit den Jungs lachen kann) und Hoffnung. Am meisten berühren die Szenen mit den starken Müttern. Mit Offenheit wird über eigene Schwächen gesprochen. Es zeigt sich eine grenzenlose Liebe, mit der die Kinder noch nicht klar kommen. So galt Schneiders größte Sorge der Reaktion der Eltern. Bin ich ihnen gerecht geworden?

Nach der Kinopremiere langer Beifall und viele Fragen. Wie ist der Film in Helbra angekommen? "Erstaunlich gut", sagt Schneider, obwohl man den Inhalt nicht kannte. "Wir wollten die Protagonisten während der Dreharbeiten schützen. Die Helbraer dachten wohl, es geht um die Harzquerbahn."

"Helbra" ist u.a. im "Lux" Halle (Seebener Straße) und in der "naTo" Leipzig gestartet.