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"Doctor Sleep" von Stephen King "Doctor Sleep" von Stephen King: Der König kehrt zum Tatort zurück

Von steffen könau 15.11.2013, 07:24
Stephen King ist mit 400 Millionen verkauften Büchern einer der erfolgreichsten Autoren der Welt.
Stephen King ist mit 400 Millionen verkauften Büchern einer der erfolgreichsten Autoren der Welt. dpa Lizenz

halle/MZ - Der Täter muss immer zum Tatort zurück, der Schriftsteller immer wieder dorthin, wo alles begann. Stephen King, mit 400 Millionen verkauften Büchern einer der erfolgreichsten Autoren der Welt, begibt sich mit „Doctor Sleep“ zurück in die Rocky Mountains, wo er vor 36 Jahren seinen Renner „Shining“ hatte spielen lassen.

Eine Rückkehr mit bekanntem Personal. Danny Torrance, im gespenstischen Hotel „Overlook“ seinerzeit beinahe ermordet, ist inzwischen erwachsen, gehetzt von denselben Dämonen wie sein mörderischer Vater. Alkohol, dunkle Visionen, kleine Städte - Stephen King, seit einem Autounfall vor 14 Jahren eher noch produktiver geworden, vermischt auf den 699 Seiten seines 64. Romans die gewohnten realistischen Schilderungen der amerikanischen Kleinstadtwelt mit dem unvermittelt hereinbrechenden Übersinnlichen.

Mit dem siebten Sinn

Danny Torrance hat immer noch einen Rest von jenem „Shining“, das King in einem halben Dutzend Bücher als eine Art siebten Sinn schildert. Und das Mädchen Abra, zweite Hauptfigur des 66-Jährigen, verfügt über ein Übermaß davon.

Natürlich wird jedes bisschen davon bald gebraucht, denn mit dem „Wahren Knoten“ taucht ein mächtiger Gegner für das ungleiche Heldenpaar auf. Angeführt von der charismatischen Rose O’Hara, die King beschreibt wie ein Abziehbild des klassischen Bösen, zieht diese Gruppe undefinierbar Untoter umher, um sich vom Shining kleiner Kinder zu ernähren. Hanebüchen, aber gruselig, zumindest für Leser, denen es nicht um Logik und Glaubwürdigkeit, sondern um eine packende Geschichte mit schwarz-weiß gezeichneten Figuren geht.

Denn viel mehr ist es nicht, was Stephen King seinen Lesern nicht mal ein halbes Jahr nach seinem letzten Roman „Joyland“ serviert. Bekannte Versatzstücke, neu geordnet, die gewohnte Formulierkunst, jedoch über weite Strecken ihrer Magie entkleidet.

Mystisches Rennen

Doctor Sleep“ versucht den Brückenschlag vom alten zum jungen King und vom heutigen Amerika zurück in jenes, das sich seiner eigenen Werte noch sicher war. Doch herausgekommen ist nur ein mystisches Märchen, das mit Klassikern wie „Es“ oder auch dem Kennedy-Thriller „Der Anschlag“ nicht mithalten kann. Der Horror ist kleiner geworden, die Schlachten zwischen Gut und Böse lassen nicht mehr die Welt beben, sondern allenfalls die Erinnerungsfragmente, aus denen das in „Shining“ abgebrannte Hotel „Overlook“ 35 Jahre nach seiner Zerstörung besteht.

Stephen King ist sich der Situation immerhin bewusst. „Nichts kann der Erinnerung an etwas gerecht werden, bei dem wir uns ordentlich gegruselt haben“, erklärt er sich das Phänomen, „wenn diese Erinnerung aus einer Zeit stammt, als man jung und leicht zu beeindrucken war“.

Stephen King: „Doctor Sleep“, Heyne, 22,99 Euro