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Dieter Birr im Interview Dieter Birr im Interview: Ex-Puhdys-Frontmann als Solist unterwegs

29.09.2016, 05:45
Dieter Birr auf dem Weg zum Neubeginn als Solist.
Dieter Birr auf dem Weg zum Neubeginn als Solist. Ben Wolf

Berlin - Die Zeit mit den Puhdys, deren Frontmann er war, nennt Dieter Birr sein halbes Leben. Nun startet der Gitarrist, Komponist und Sänger, den alle nur Maschine nennen, mit 72 Jahren als Solist durch. „Neubeginner“ heißt sein Album, das an diesem Freitag erscheint. Mit Dieter „Maschine“ Birr sprach Andreas Montag.

„Neubeginn“ heißt das erste Stück auf dem neuen Album - und es klingt auch neu, anders als die Puhdys.

Birr: Es ist ja auch wirklich ein Neubeginn. Die Puhdys, das war mein halbes Leben. 47 Jahre. Nun gibt es eine neue Situation, ich habe ein neues Team um mich, neue Musiker. Alles ist sehr erfrischend und abenteuerlich.

Man erkennt Dieter Birr natürlich, aber das war sicher auch der Plan. Doch die Arrangements sind andere als bei den Puhdys, die Inhalte auch. Es geht um Liebe und Bilanz.

Birr: Ein ausgesprochenes Liebeslied ist natürlich „So wie Du bist“ - übrigens eine Coverversion von Heinz Rudolf Kunze. Er hat ja fünf Texte für mich geschrieben, die ich vertont habe. Und dann fand ich dieses Lied von ihm und habe es aufgenommen. Kunze hat diese Version besser gefunden als seine eigene. Das war ein schönes Kompliment.

Ein Liebeslied ist aber auch das zweite Stück „Helden meiner Generation“, ebenso das Berlin-Lied. Dieser Stadt sind Sie sehr nahe?

Birr: Ich könnte mir nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu leben. Ich war damals froh, dass meine Frau, die aus Neubrandenburg stammt, zu mir zog und nicht erwartete, dass es umgekehrt läuft. Ich hänge an dieser Stadt, in der ich zwar nicht geboren bin, sondern in Köslin in Pommern. Aber ich bin zurückgekommen, als ich ein Jahr alt war.

Also sind Sie eigentlich auch ein Flüchtlingskind?

Birr: Nein. Die Eltern meines Vaters hatten einen Bauernhof in Pommern. Dorthin hat mein Vater meine Mutter gebracht - raus aus Berlin, wo so viele Bomben fielen. Deshalb bin ich in Pommern geboren worden, war dort aber quasi nur zu Besuch.

Geprägt haben Sie die Zeitereignisse aber wohl schon, in dem Stück „Ehe der Krieg beginnt“ kann man es deutlich hören.

Birr: Das ist richtig.

Aber noch einmal zum Neubeginn. Das heißt auch, das Musikerleben hört nie auf?

Birr: Genau. Ich habe noch genug Energie, Lust und Leidenschaft. Das ist es, was mich antreibt.

Neben Kunze haben auch Dirk Michaelis und Mecky von Omega an dem Album mitgewirkt.

Birr: Mit Mecky habe ich auch gerade in Landsberg bei Halle auf der Bühne gestanden, es war ein tolles Konzert.

Rücken die alten Haudegen jetzt enger zusammen?

Mit Mecky und Omega waren Sie zuvor noch nie aufgetreten, oder?

Birr: Nein. Wir kannten uns zwar, aber haben nie gemeinsam gespielt. Omega hatte mich gefragt, ob ich zu ihrem 55. Bandjubiläum ein Lied mitsingen würde. Da habe ich zurückgefragt, ob Mecky auch zu meinem Album etwas beisteuert. Und er hat zugesagt.

Reden wir über „Helden meiner Generation“, das zweite Stück. Wer war der große Held für Sie?

Birr: Das war nicht nur einer: Chuck Berry, Buddy Holly, Jerry Lee Lewis, Little Richard - später die Rolling Stones und die Beatles. Mir waren beide Bands genauso lieb. Ich habe das alles auf Tonband aufgenommen, vom Radio. Und wenn ich nicht zu Hause war, musste meine Mutter das eben machen. Ich glaubte damals, ich sei der einzige in der DDR, der das alles parat hatte. Und das Radio war für mich das Tor zur Welt.

Als Kind war ich natürlich im Westen gewesen, aber 1961, nachdem die Mauer gebaut worden war, ist damit erst einmal Schluss gewesen. Da war ich 17. Später konnte ich natürlich wieder rüber, wenn die Puhdys zu Konzerten reisen durften.

Irgendwann wollten Sie selber Musik machen, haben sich das Gitarrenspiel beigebracht?

Birr: Zunächst hatte ich Akkordeon-Unterricht. Fast alle in meiner Familie haben Instrumente gespielt, nicht professionell, nur für den Hausgebrauch. Der Bruder meines Vaters spielte Geige, mein Vater Akkordeon. Eines Tages bekam ich das Ding umgehängt und konnte nach fünf Minuten „Hänschen klein“ spielen.

Der Junge ist begabt, fanden meine Eltern und haben mich zum Unterricht geschickt. Aber Akkordeon wollte ich nicht lernen, lieber Gitarre. Also haben mir meine Eltern eine Gitarre geschenkt, ein Schulfreund brachte mir die ersten Griffe bei. Dann habe ich allein weitergeübt und mich selbst auf der Gitarre begleitet. Das brachte ersten Erfolg, auch bei der weiblichen Bevölkerung (lacht).

Da wollten Sie Profi werden?

Birr: Ich bin zur Musikschule gegangen, ich wollte als Musiker arbeiten. Den ganzen Tag in der Fabrik schuften und abends Musik machen - das geht nicht. Also wollte ich Berufsmusiker werden.

Was haben Ihre Eltern dazu gesagt? Waren sie entsetzt?

Birr: Nein, nein. Die haben mich unterstützt. Und mich zum Üben angehalten. Als ich in der Spezialklasse für Tanzmusik war, bekam ich schon einen vorläufigen Berufsausweis. Aber als junger Mensch hat man eben auch mal etwas anderes vor, als zur Schule zu gehen, also habe ich mal geschwänzt. Und da haben sie mich tatsächlich rausgeschmissen.

Und dann?

Birr: Meine Mutter ist da hingegangen und hat dem Direktor versprochen: Das kommt nie wieder vor, er wird sich auf den Hosenboden setzen und üben. Da durfte ich weitermachen. Das habe ich meinen Eltern zu verdanken. Dafür habe ich dann auch auf allen Familienfeiern gespielt. Und später waren sie natürlich stolz auf den Erfolg ihres Sohnes. So, wie ich dann stolz auf den Erfolg meines Sohnes mit der Band „Bell, Book & Candle“ gewesen bin.

Jetzt kommt Ihre neue Platte heraus, danach beginnt die Tour?

Birr: Am 20. Januar geht sie los, im Leipziger Haus Auensee. Und endet am 12. Februar in Berlin, in der Columbia-Halle. Auch in Hamburg gibt es ein Konzert, am 28. Januar auf der Großen Freiheit.

Dabei fällt mir etwas Lustiges ein. Anfang dieses Jahres rief mich ein Bekannter an, ein großer Fan, und fragte: Wo bleibst Du denn? Und ich fragte: Was meinst Du? Da stellte sich heraus, er hatte Karten für das Hamburger Konzert geschenkt bekommen, ganz zeitig schon. Und er hatte nicht genau auf das Datum geschaut. Da war er ein ganzes Jahr zu früh gekommen.

Und die nächste Platte ist inzwischen schon in Arbeit?

Birr: Ich mache mir schon Gedanken. Aber erst einmal hoffe ich, dass das aktuelle Album erfolgreich sein wird. Und die Tour natürlich auch.

Noch einmal ganz weit zurück, in die DDR: Wie war das eigentlich mit den Puhdys und Renft? Für die Fans gab es da nur: Entweder - Oder! Und für Euch als Musiker?

Birr: Sie werden lachen: Wir haben uns gut verstanden. Auch mit Karat war es später so, die in den Augen der Fans unsere Konkurrenten waren. Die Anhänger einer Band sehen das oft schärfer als die Musiker selbst.

Der Fan sagt sich nicht: Der kann aber toll Gitarre spielen! Für die Fans muss der Musiker etwas verkörpern, sie erwarten eine Botschaft von Dir. Die Leute wollen einen Song hören, und der muss stimmen.

Was Renft betrifft: Die haben tolle Lieder gemacht. „Wer die Rose ehrt“ zum Beispiel, eine großartige Nummer. Oder „Zwischen Liebe und Zorn“. Drei Renft-Songs haben wir später auch gecovert.

Und Ihre neuen Songs - ist ein Lieblingslied für Sie darunter?

Birr: Mir sind sie alle nahe. Vielleicht sind es die ruhigen Stücke, die mich besonders überraschen. Früher dachte ich immer, Rock’n’Roll muss gebrüllt werden. Aber eigentlich sind sie alle gut. (mz)

Im nächsten Jahr geht Dieter „Maschine“ Birr mit „Neubeginner“ auf Tournee. Sie startet am 20. Januar 2017 in Leipzig im Haus Auensee, am 9. Februar gastiert der Künstler in der halleschen Händel-Halle.

Tickets unter www.eventim.de