«Die Hexe von Portobello»: Porträt einer modernen Hexe
Zürich/dpa. - Zürich «Meine Mission ist, euch zu provozieren», verkündet die Protagonistin in «Die Hexe von Portobello», ihren Anhängern. Fast könnte man meinen, dies sei auch Paulo Coelhos Mission.
Mit seinem neuen Roman gelingt es dem brasilianischen Schriftsteller wieder einmal, den Leser geschickt mit der Verknüpfung von allgemein spirituellen und christlichen Themen zu konfrontieren und ihn zur Auseinandersetzung mit existenziellen Fragen rund um Liebe, Glaube und Freiheit aufzufordern. Vor allem aber befasst sich Coelho hier mit der weiblichen Seite Gottes, der «Großen Mutter».
Die Hauptfigur der Erzählung ist Sherine Khalil, eine rumänische Zigeunerin. Sherine, die sich selbst Athena nennt und schließlich als Hexe von Portobello bekannt wird, polarisiert ihre Mitmenschen: ihr rätselhaftes Wesen fasziniert und beängstigt zugleich. Ihren Schülern rät sie: «Versuchen Sie, anders zu sein.» In ihrer Entschlossenheit, ihrer Bestimmung zu folgen, wirkt sie auf Weggefährten und Leser besessen und egoistisch und dennoch sympathisch und anziehend.
Sherine kommt als Adoptivkind aus Hermannstadt nach Beirut. Als der Krieg im Libanon ausbricht, flüchtet die wohlhabende christliche Familie nach London. Hier führt Sherine ein Leben, in dem es ihr an nichts zu mangeln scheint: sie hat liebevolle Eltern, beruflichen Erfolg und einen kleinen Sohn, den sie liebt. Dennoch spürt sie «leere Stellen», die sie unbedingt füllen möchte. Der Leser verfolgt, wie die junge Frau während ihrer spirituellen Selbstfindung lernt, bisher unbekannte und befremdliche Fähigkeiten in Ritualen zu nutzen. Dabei geht Sherine allerdings zu weit und riskiert, ihr eigenes Glück zu verlieren.
Bereits in seinem Roman «Brida», der bisher nicht in Deutschland veröffentlicht wurde, beschäftigte sich der in Brasilien und Frankreich lebende Schriftsteller intensiv mit den Themen Magie und Hexerei. Doch anders als in «Brida», und das ist das Interessante an seinem aktuellen Roman, wählt der Bestseller-Autor in «Die Hexe von Portobello» eine ungewohnte Erzählperspektive. Coelho entwirft ein Porträt, das sich aus aufgezeichneten Interviews mit dreizehn Menschen zusammensetzt, die ihre persönlichen Eindrücke von der Hauptfigur schildern. Auf diese Weise schafft es der Erzähler, dem Leser den «Mythos Athena» Puzzelstück für Puzzlestück bis zu einem überraschenden Ende näher zu bringen.
Der 1947 in Rio de Janeiro geborene Coelho verkündet mit «Die Hexe von Portobello» keine neue, aber eine klare Botschaft. Er zeigt in gewohnt einfacher Sprache, wie wichtig Glaube und Toleranz sind und dass die Menschen nur dann eine Verbindung zum Göttlichen herstellen können, wenn sie ihre Intuition schulen. Wer mit spirituellen Ideen nichts anfangen kann, sollte auf diese Lektüre allerdings lieber verzichten. Diejenigen Leser, die so fest an Zeichen glauben wie der Autor selbst, wird Athenas Suche jedoch berühren.
Paulo Coelho: Die Hexe von Portobello
Diogenes, Zürich
288 S., Euro 19,90
ISBN 978-3-2570-6600-5 (dpa)