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Dichter des Spätbarock Dichter des Spätbarock: Schelm aus Kütten heißt Schelmuffsky

Von Simone Trieder 07.10.2005, 17:18

Kütten/MZ. - Sein oder Nichtsein? das ist die Frage, die Hamlet sich und seinen Lesern selbstgrüblerisch stellt. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Schein!

Wie man sich kleidet, wie sicher man auftritt, welche Sprüche man im Munde führt. Scheint so aktuell wie nie zu sein, deshalb ist es höchste Zeit an einen Schelm des Scheins zu erinnern, an den "komischen Halbgott" Schelmuffsky, wie ihn sein glühender Verehrer Clemens Brentano taufte. Seit über 300 Jahren unterhält Schelmuffsky uns mit seinen Erfolgen bei Frauen, die allesamt ihre "Lümpgen" zusammenpacken, um ihm zu folgen auf seinen unglaublichen Reisen quer durch Europa und sogar bis zum Großmogul nach Indien. Bei dem es am Ende gar so aussieht wie in Kütten bei Halle, wo sein Schöpfer Christian Reuter herstammt.

Hier wurde vor 340 Jahren, 1665, der neben Grimmelshausen wichtigste Dichter des Spätbarock geboren und am 9. Oktober als Christianus getauft. Da er als einziges der zehn Kinder eines Bauern die latinisierte Namensendung erhielt, lässt sich vermuten, dass daran die Hoffnung geknüpft war, er schlüge die akademische Laufbahn ein.

Das fing auch gut an: Vom Merseburger Domgymnasium ging es nach Leipzig. Im 14. Semester Jura nahm er mit seinem Freund Johann Grel Quartier im Gasthaus "Zum Rothen Löwen". Dessen Wirtin Anna Rosine Müller wurde als die ehrliche Frau Schlampampe unsterblich, vor allem ihr reisender Sohn als Schelmuffsky. In Reuters Buch ist die Familie die Folie, auf der er seinen Maulhelden entwickelt, der von seinen als Erfolge gekleideten Niederlagen in der Welt erzählt.

Dennoch erkannte sich die Familie Müller, prozessierte gegen den Autor und erwirkte die Entfernung Reuters aus Leipzig. Er schlug sich als Gelegenheitspoet an den Höfen in Dresden und Berlin durch. Seine Spur verliert sich nach 1712, als ein Sohn Reuters in der Berliner Schlosskirche getauft wurde.

Der Autor verschwand und sein Werk ging eigene Wege. Der unter dem Pseudonym E. S. geschriebene Schelmuffsky findet immer wieder Freunde und Verehrer. Gottfried August Bürger ist er Vorbild, als er die neuen Lügengeschichten des Baron Münchhausen dichtet. Heute ist Reuter und sein Werk ein beliebter Forschungsgegenstand. Trotzdem gibt es noch viele Fragen: Wann und wo ist Reuter gestorben? Sind, wie ein Nachkomme Fritz Reuters bisher vergeblich versucht hat nachzuweisen, Fritz und Christian Reuter miteinander verwandt? An diesem Wochenende feiert die Saalkreis-Gemeinde Kütten ihren großen Sohn und Schelm. Um 20 Uhr sind heute im Gemeindesaal "Musikalisch-literarische Schelmereien - Schelmuffskys kuriose Reisebeschreibung" mit Alexander Morandini und dem Broken Consort Dessau zu hören. Am Sonntag wird 10 Uhr die sanierte Küttener Kirche wiedereingeweiht.

Buchpremiere: Simone Trieder stellt ihr Schelmuffsky-Buch am 11.10. um 19.30 Uhr im Marktschlösschen in Halle vor