«Deutschland. Ein Sommermärchen» «Deutschland. Ein Sommermärchen»: Aus Liebe zum Spiel
Halle/MZ. - Der Titel kommt nicht von ungefähr. In Anlehnung an den Gedichtzyklus "Deutschland. Ein Wintermärchen", in dem Heinrich Heine Mitte des 19. Jahrhunderts ein Loblied auf die Einigkeit der zersplitterten deutschen Länder anstimmte und damit einen deutschen Patriotismus einforderte, hat Regisseur Sönke Wortmann seine Dokumentation über die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ein Sommermärchen genannt. Denn schließlich löste dieser Sommer der Fußball-WM auf wunderbare Weise etwas ganz Ähnliches ein, was Heine auch in seinem Wintermärchen verlangte: Irgendwie war es auf einmal schick, sich als Fan der Nationalmannschaft zu outen und sich so in einem entspannt-patriotischen Wir-Gefühl mit Millionen anderer verbunden zu wissen.
Nie gesehene Bilder
Es lag auf der Hand, Sönke Wortmann damit zu beauftragen, die deutsche Fußballnationalmannschaft während der WM zu begleiten. Denn schließlich hat der Regisseur seine Liebe zum Spiel bereits mit dem Erfolgsfilm "Das Wunder von Bern" unter Beweis gestellt. So durfte er also unseren Jungs mit der Kamera auf die Pelle rücken, von der Turniervorbereitung bis zum umjubelten Auftritt der Mannschaft auf der Berliner Fan-Meile nach dem Erreichen des dritten Platzes. Entsprechend kann Wortmann Bilder präsentieren und intime Einblicke gewähren, die man so bisher noch nicht gesehen hat.
Die Vorbereitungs-Trainingslager werden schnell abgehandelt, dann folgt der Einzug der Mannschaft in ihr Quartier im Schlosshotel im Berliner Grunewald. Hier hat auch Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Kurzauftritt, als sie den brav wie in der Schule in mehreren Reihen hintereinander gesetzten Spielern viel Glück wünscht. Dann aber geht es endlich los. Wortmann ist überall dabei: In der Umkleidekabine, auf den Zimmern und auf den Massageliegen, wo er kurze Statements einzelner Spieler einfängt, bei den Trainingseinheiten und den spielvorbereitenden Besprechungen. Hier wird bei den mit eher banalen Psychotricks gespickten Ansprachen von Jürgen Klinsmann deutlich, dass solche Spiele zwar zu einem nicht unbedeutenden Teil im Kopf gewonnen werden, die Deutschen letztlich aber auch nur mit Wasser gekocht haben. Diverse Interviews bringen zudem ein wenig Licht in die vor dem Turnier heiß diskutierte Torwart-Frage. Und gezeigt wird auch - wenngleich etwas unscharf - der sagenumwobene Zettel, den Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien aus seinem Stutzen zauberte.
Volk im Rauschzustand
Und immer wieder sieht man eine Mannschaft, die ungläubig aus ihren Hotelfenstern hinaus auf ein Volk im kollektiven Rauschzustand blickt. So schafft es Sönke Wortmann in seiner Dokumentation, das Wir-Gefühl zu vermitteln, das entsteht, wenn aus Individuen eine Mannschaft geformt wird und der Teamgeist des "Einer für alle, alle für einen" zu ihrem euphorisierenden Wahlspruch wird.
Ansonsten unterwirft sich der Regisseur der äußeren Dramaturgie dieser vier WM-Wochen, verzichtet trotzdem aber nicht auf eine innere Mikrodramaturgie, in der er gekonnt eigene Akzente setzt und auch Ersatzspieler oder Mitglieder des Betreuerteams zu Wort kommen lässt. Eher durch Zufall ist hier ein einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte entstanden, denn es war vorher kaum absehbar, dass dieses von vielen bespöttelte Team solch einen Siegeszug hinlegen würde und zum Weltmeister der Herzen avancierte.
So lässt diese Filmchronik dank ihrer fein dosierten Emotionalität die Unbeschwertheit der WM-Wochen aus einer anderen Perspektive noch einmal lebendig werden.
Der Spielfilm läuft ab Donnerstag auch in Kinos in Aschersleben, Dessau, Günthersdorf, Halberstadt, Halle, Magdeburg, Merseburg, Naumburg und Zeitz.