Deutsches Hygiene-Museum Dresden Deutsches Hygiene-Museum Dresden: Sex in Zeiten ohne Geheimnis (Fortsetzung)
Dresden/MZ. - Wer wache Sinne hat (und reichlich Zeit),wird hier, wie man gemeinhin sagt, einigesabholen können. Penibel beschrieben, oft auchmit Tondokumenten belegt, entsteht aus denspröde anmutenden Details ein plastischesBild vom Umgang mit der Sexualität bis indie Gegenwart. Die gewinnt vor allem im zweiten,dem größten Saal scharfe Kontur. In hellemLicht sind Vitrinen nach der Ästhetik einesOperationsraumes inszeniert, vor einer Zeitachsewerden die Chancen und Grenzen der so genanntenReproduktionstechnologie gleichsam nackt präsentiert:Maschinen, um Eizellen abzusaugen, Plastikbehälterfür Sperma, allerlei Spritzen: sämtlich Gerätschaften,damit Erwachsene, die auf herkömmlichem Wegenicht zu leiblichen Kindern kommen, doch Elternwerden können.
Sex und Fortpflanzung, so markiert die Ausstellungden Status quo, sind nicht mehr zwingend aneinandergebunden: Ausgang offen, in jedem Sinne. Wemder gigantische, eher an einen Saurier erinnerndeRiesen-BH von Vito Acconci als liebevoll ironischerWächter nicht schon über sein Staunen (auchBeklemmung?) hinweg geholfen hat, der magumso entschlossener Ablenkung im abschließendenRaum der Projektionen suchen. Hier schließtsich die Klammer zum Warhol-Entree. In einemwitzigen Kubus, eine Art Hexenhaus, gibt esstatt Pfefferkuchen Videos, in denen zu sehen(oder zu hören) ist, wie eine Frau und einMann in inniger Umarmung verharren, nackteMänner über Lust, Liebe und Verantwortungreden oder Yoko Ono von geheimnisvollen Menschenmit Scheren aus ihren Kleidern geschnittenwird. Und Peter Lands Film "5May 1994" wirdgezeigt, in dem der Künstler sich selbst alsnackten, tanzenden, nicht ganz schlanken Mannpräsentiert.
Scheinbar verzückt, zornig manchmal, rührendtapsig und im Eifer, eine wichtige Sache zutun, legt er auch den männlichen Blick aufentblößte Frauen frei und zugleich das Klischeeevon diesem männlichen Blick. Nebenan durchtrenntindes ein Mann Yoko Onos BH-Träger. Reglosbleibt ihr Gesicht dabei. Und sehr schön.Womit endlich auch das über Sex gesagt wäre.
Bis zum 11. August 2002; Di, Do und Fr9-17, Fr ab 13 Uhr freier Eintritt; Mi 9-20,Sa, So und Feiertage 10-18 Uhr. Katalog u. a.mit Texten von Alissa Walser und Ingo Schulze,Hatje Cantz Verlag, 38 Mark.