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Deutsch-deutsche Geschichte Deutsch-deutsche Geschichte: IM «Angelika» im Spinnennetz der Staatssicherheit

Von Monika Zimmermann 22.11.2005, 18:37

Berlin/MZ. - So ist es auch Heribert Schwan ergangen, als er seinen Film über Stasi-Agenten im Westen drehte: Tür auf, Tür zu. Löbliche Ausnahme: Lilli Pöttrich. Die westdeutsche Karrierediplomatin war bereit, über ihre Spitzeltätigkeit für die DDR zu sprechen. Nach 45 Minuten Sendezeit steht Lilli Pöttrich als sympathische, geradlinige Person dar, die nichts bereut und zu ihren Überzeugungen steht. Kräftigen Schrittes schlendert sie durch den Film und durch ihr Leben, kehrt mit den Filmemachern zurück den Ort ihrer Taten: Florenz, Rom, Sevilla - überall wo es schön ist, hat IM "Angelika" sich mit ihren Führungsoffizieren zwecks Informationsaustausch getroffen. Das Leben einer Stasi-Spionin muss aufregend, interessant gewesen sein. Das ist die Botschaft dieses Films. Und diese Botschaft ist fatal.

Fragt man Heribert Schwan, den WDR-Filmemacher, warum er Lilli Pöttrich erlaubt, sich als positive Heldin zu präsentieren, dann sagt er, es sei schwer genug gewesen, das Vertrauen seiner Protagonistin zu erlangen. Dieses Vertrauen habe er nicht enttäuschen wollen. Lilli Pöttrich ihrerseits hat genau dies getan, sie hat Vertrauen missbraucht. In den 14 Jahren ihrer Spionagetätigkeit hat sie alle betrogen: Kommilitonen, Kollegen, Freunde. Doch davon hört man im Film kein Wort. Kein Wort über den Schaden, den sie angerichtet hat: in ihrer nächsten Umgebung, im Auswärtigen Amt, in der Bundesrepublik Deutschland.

Dennoch ist der Film sehenswert. Er zeigt, wie eine Westbürgerin für den Ostgeheimdienst angeworben wurde, wie eng "das Spinnennetz" (so der Filmtitel) geknüpft war. Und er zeigt, wie das war, sich im Doppelleben einzurichten. Wobei Lilli Pöttrich streng genommen gar kein Doppelleben geführt hat. Sie sei, so sagt sie selbst, "nie gespalten gewesen". Ihre Rolle sei immer die "der DDR-Bürgerin" gewesen.

Dafür hat sie es im Auswärtigen Amt weit gebracht. Zuletzt, 1993, als sie verhaftet wurde, war sie vortragende Legationsrätin. Zwei Jahre auf Bewährung lautete das Urteil. Sieben Jahre Berufsverbot folgten. Heute arbeitet Lilli Pöttrich als Rechtsanwältin. Auch ihre Führungsoffiziere, Residenten, Instrukteure haben die Wende überstanden. Einer ihrer Genossen (IM "Bison") beispielsweise ist Rechtsanwalt in Köln.

"Das Spinnennetz - Stasi-Agenten im Westen", ARD, 23.30 Uhr; Phoenix 8. und 9. Dezember, 20.15 bzw. 14 Uhr.