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Dessau-Roßlau Dessau-Roßlau: Ein nagelneues «Altes Theater»

Von Andreas Hillger 12.09.2008, 15:31

Dessau-Roßlau/MZ. - Doch dann brach plötzlich ein Feuer im Bühnenraum aus, das sich in rasender Geschwindigkeit verbreitete, zumal die Löscharbeiten durch zugefrorene Hydranten erschwert wurden.

Am Ende des Tages waren zwei Tote - die Künstlerin Lily Herking und der Friseurgehilfe Ernst Kirkamm - zu beklagen. Und der Verlust eines 1798 von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff errichteten und 1817 um eine klassizistische Säulenfassade ergänzten Prachtbaus, der bereits 1855 erstmals ausgebrannt und binnen eines Jahres wieder aufgebaut war.

Unendliche Geschichte

Diesmal hat es 86 Jahre gedauert, jetzt aber steht an der Kavalierstraße wieder ein "Altes Theater" - hinter dem ehemaligen "Haus des Reisens" zurückgesetzt und erst nach dem Abriss eines Wohnhauses mit der zentralen Verkehrsader verbunden, aber immerhin am historischen Platz. Der auf Patina getrimmte Name ist ein Paradoxon und passt zur schier unendlichen Geschichte des Hauses.

Der Wunsch, mit dem Wiederaufbau auch eine dringend nötige Kammerbühne zu erhalten, verdankt sich der Euphorie nach der Wende. Dass die Bauarbeiten dennoch bis zum Herbst 2008 dauerten, hatte mit der finanziellen Not der Kommune zu tun - und mit dem Druck, der durch die Verwendung von 2,2 Millionen Euro aus dem EU-Fonds Urban II entstanden war.

Denn nachdem man die ehrgeizigen Pläne zwischenzeitlich beerdigt hatte, erzwang die drohende Rückforderung dieser Mittel den Abschluss der Bauarbeiten. Nun darf die Kunst von dem Gebäude Besitz ergreifen, das Dessau-Roßlau mit 1,2 Millionen Eigenanteil sowie mit 900 000 Euro aus Landesmitteln errichtet hat. Als Referenz an eine örtliche Tradition, die sich mit dem "Kaffee Altes Theater" verbindet, gibt es im Parterre des vorgelagerten Gebäudes auch wieder ein Theaterrestaurant - farbsatt gestaltet vom früheren Ausstattungsleiter im Anhaltischen Theater, Fridolin Kraska.

Flexible Nutzung

Im Haus selbst herrscht der klassische Bauhaus-Dreiklang aus Rot, Gelb und Blau - für das großzügige Foyer, den neuen Puppentheater-Saal sowie die Kammerbühne unter dem Dach. Alle drei Etagen sind in einem nüchtern funktionalen Stil gehalten, die technische Ausstattung ermöglicht eine flexible Bespielung der Raumbühnen. Und ein spezielles Schließsystem soll die separate Nutzung einzelner Räume ermöglichen - eine Voraussetzung für die Öffnung des Kulturzentrums über das Theater hinaus.

Gesucht wird noch nach einem Namen für den Platz, der vor dem Haus entstanden ist - und der sich bereits als Keimzelle für eine Aufwertung des Quartiers bewährt. Auch bei der Nacht des Stadtumbaus, die gestern einen ersten Besuch des "Alten Theaters" vor der eigentlichen Einweihung Ende Oktober gestattete, konnten die Gäste ihre Stimme abgeben. Eine Tendenz scheint sich bereits abzuzeichnen: Lily-Herking-Platz, zur Erinnerung an die 1922 verbrannte Sängerin, die übrigens die Mutter von Ufa-Star Ursula Herking war.